20.09.2018 12:02 | NDR / Das Erste | Politik
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Sachsen: AfD-Funktionär arbeitet beim Verfassungsschutz - Hendrik S. bescheinigt Rechtsextremen "intelligente Aktionsformen"
Hamburg (ots) - Beim sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz
ist seit Jahren ein Funktionär der AfD beschäftigt. Hendrik S. ist
Mitglied der Landesprogrammkommission der Partei und dort als Leiter
des Fachausschusses 5 zuständig für die Erarbeitung von Konzepten im
Bereich Innere Sicherheit, Justiz und Datenschutz. Im Interview mit
dem ARD-Magazin "Panorama" (NDR) bestätigte er diesen Sachverhalt -
und attestierte der rechtsextremen "Identitären Bewegung" (IB) unter
anderem "intelligente Aktionsformen".
In dem Interview betont S., dass er kein Problem darin sehe, seine
Arbeit als Verfassungsschützer mit seinem Engagement bei der AfD zu
vereinbaren: "Unabhängig von dem, was man macht, kann man sich
politisch organisieren und engagieren", sagt er. "Ich als
Verfassungsschützer, das ist vielleicht noch etwas Sensibleres, aber
ich kann sehr wohl auch durch mein Dasein Hinweise geben oder schon
mal sagen: So geht es nicht. Hier müssen wir besser aufpassen."
Mit seiner Expertise als Verfassungsschützer wollte S. im Jahr
2014 ganz offen punkten, als er sich in der AfD um einen Listenplatz
bei der sächsischen Landtagswahl bewarb. Beim Nominierungsparteitag
in Weinböhla machte er keinen Hehl aus seiner Tätigkeit beim
Verfassungsschutz, ganz im Gegenteil: Er erstelle "mit dem
Schwerpunkt Extremismus" entsprechende Analysen, betonte er in seiner
Vorstellungsrede. "Ich bin Sicherheitsüberprüfter der höchsten
Sicherheitsstufe SÜ3 und habe Umgang mit Verschlusssachen mit
Einstufungsgrad 'geheim'", so S.
Beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Sachsen ist der Fall
bereits seit 2015 bekannt. Die Tageszeitung "taz" hatte damals
darüber berichtet. Personelle Konsequenzen wurden offenbar bislang
nicht gezogen. Zu den aktuellen Recherchen wollte man sich nicht
äußern: "Zu konkreten Personalien äußern wir uns grundsätzlich
nicht", heißt es schriftlich. Generell gelte, "dass Mitgliedschaften
oder Funktionen in einer nichtextremistischen Partei beamtenrechtlich
als solche kein Hindernis für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst
sind."
Kerstin Köditz, für die Linksfraktion Mitglied der
Parlamentarischen Kontrollkommission und somit zuständig für die
Untersuchung des Verfassungsschutzes, hatte schon vor drei Jahren den
Präsidenten des LfV Sachsen, Gordian Meyer-Plath, um ein Gespräch in
dieser Angelegenheit ersucht. "Dieses lehnte Herr Meyer-Plath mit der
bemerkenswerten Begründung ab, er werde solche Fälle nicht 'mit
Außenstehenden erörtern'." Stephan J. Kramer, Präsident des
Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen, will den Fall S. auf
"Panorama"-Anfrage nicht konkret kommentieren. Er rät allerdings
allgemein dazu, angesichts der aktuellen politischen Diskussion um
den Verfassungsschutz und mutmaßliche Informationsweitergabe
überhaupt gar keine Vermutungssituationen aufkommen zu lassen und
klar zu trennen. Ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit wäre ein
solcher Mitarbeiter wie S. für ihn ein "Sicherheitsrisiko", wenn er
so offen mit seiner Tätigkeit beim Geheimdienst hausieren gehe: "Er
macht sich nicht nur erpressbar, sondern auch zum möglichen Ziel von
Angriffen anderer Nachrichtendienste im Bereich der Spionage. Das
heißt, er geht damit schon in den Bereich hinein, wo er nicht nur
sich selbst, sondern auch die eigene Behörde gefährdet. Völlig
indiskutabel", sagte Kramer gegenüber "Panorama".
Mit dem Listenplatz hat es für S. 2014 nicht geklappt. Er
engagierte sich fortan weiter als Vize-Vorsitzender des Kreisverbands
Mittelsachsen, den er 2013 mitbegründet hatte, schrieb unter anderem
am Wahlprogramm der sächsischen AfD mit und ging zuletzt bei dem so
genannten "Trauermarsch" der AfD am 1. September in Chemnitz auf die
Straße.
Rechtsradikale will S. dort nur vereinzelt entdeckt haben, auch
den mehrfach verurteilten Pegida-Chef Lutz Bachmann habe er nur
später im Fernsehen gesehen. "Live leider nicht", sagte S. den
"Panorama"-Reportern. "Wenn man schon mal die Chance hat, würde ich
ihm ja auch mal Guten Tag sagen." An Pegida habe er nichts
auszusetzen, das seien ja einfach nur friedliche Demonstrationen in
Dresden.
Auch an der "Identitären Bewegung" hat S. nichts auszusetzen - und
steht da konträr zu seiner Behörde, die die Organisation sowohl auf
Bundesebene als auch in Sachsen als "rechtsextrem" einstuft. Die IB
betreibe lediglich "intelligente Aktionsformen", so S. gegenüber
"Panorama". "Die ketten sich an keine Schienen, an keine
Baufahrzeuge, an nichts. Die hängen Plakate auf, da steht nichts
Verbotenes drauf, soweit ich das feststellen kann."
Stephan J. Kramer betrachtet es als "bedenklichen Vorgang, wenn
ein Mitarbeiter eines Verfassungsschutzes ein Beobachtungsobjekt wie
die IB quasi öffentlich von der Eigenschaft als Beobachtungsobjekt
freisprechen will."
Kerstin Köditz betont, dass S. als Beamter einer besonderen
Treuepflicht unterliege. "Dazu gehört natürlich auch, dass
Entscheidungen seines Dienstherrn nicht öffentlich in Zweifel gezogen
werden dürfen. Ich sehe bei diesem Fall damit den berühmten Tropfen,
der das Fass zu überlaufen bringt. Immerhin hatte er sich bereits
vorher öffentlich als Verfassungsschutzmitarbeiter geoutet, obwohl
ihm dies in seiner Stellung untersagt wäre. Ich erwarte ganz einfach,
dass in einem rechtlich einwandfreien Verfahren Disziplinarmaßnahmen
eingeleitet werden."
Der Landesvorstand der AfD Sachsen war zu keiner Stellungnahme
bereit.
"Panorama": Donnerstag, 20. September, 21.45 Uhr, Das Erste
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Iris Bents
i.bents@ndr.de
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse
Original-Content von: NDR / Das Erste, übermittelt durch news aktuell
ist seit Jahren ein Funktionär der AfD beschäftigt. Hendrik S. ist
Mitglied der Landesprogrammkommission der Partei und dort als Leiter
des Fachausschusses 5 zuständig für die Erarbeitung von Konzepten im
Bereich Innere Sicherheit, Justiz und Datenschutz. Im Interview mit
dem ARD-Magazin "Panorama" (NDR) bestätigte er diesen Sachverhalt -
und attestierte der rechtsextremen "Identitären Bewegung" (IB) unter
anderem "intelligente Aktionsformen".
In dem Interview betont S., dass er kein Problem darin sehe, seine
Arbeit als Verfassungsschützer mit seinem Engagement bei der AfD zu
vereinbaren: "Unabhängig von dem, was man macht, kann man sich
politisch organisieren und engagieren", sagt er. "Ich als
Verfassungsschützer, das ist vielleicht noch etwas Sensibleres, aber
ich kann sehr wohl auch durch mein Dasein Hinweise geben oder schon
mal sagen: So geht es nicht. Hier müssen wir besser aufpassen."
Mit seiner Expertise als Verfassungsschützer wollte S. im Jahr
2014 ganz offen punkten, als er sich in der AfD um einen Listenplatz
bei der sächsischen Landtagswahl bewarb. Beim Nominierungsparteitag
in Weinböhla machte er keinen Hehl aus seiner Tätigkeit beim
Verfassungsschutz, ganz im Gegenteil: Er erstelle "mit dem
Schwerpunkt Extremismus" entsprechende Analysen, betonte er in seiner
Vorstellungsrede. "Ich bin Sicherheitsüberprüfter der höchsten
Sicherheitsstufe SÜ3 und habe Umgang mit Verschlusssachen mit
Einstufungsgrad 'geheim'", so S.
Beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Sachsen ist der Fall
bereits seit 2015 bekannt. Die Tageszeitung "taz" hatte damals
darüber berichtet. Personelle Konsequenzen wurden offenbar bislang
nicht gezogen. Zu den aktuellen Recherchen wollte man sich nicht
äußern: "Zu konkreten Personalien äußern wir uns grundsätzlich
nicht", heißt es schriftlich. Generell gelte, "dass Mitgliedschaften
oder Funktionen in einer nichtextremistischen Partei beamtenrechtlich
als solche kein Hindernis für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst
sind."
Kerstin Köditz, für die Linksfraktion Mitglied der
Parlamentarischen Kontrollkommission und somit zuständig für die
Untersuchung des Verfassungsschutzes, hatte schon vor drei Jahren den
Präsidenten des LfV Sachsen, Gordian Meyer-Plath, um ein Gespräch in
dieser Angelegenheit ersucht. "Dieses lehnte Herr Meyer-Plath mit der
bemerkenswerten Begründung ab, er werde solche Fälle nicht 'mit
Außenstehenden erörtern'." Stephan J. Kramer, Präsident des
Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen, will den Fall S. auf
"Panorama"-Anfrage nicht konkret kommentieren. Er rät allerdings
allgemein dazu, angesichts der aktuellen politischen Diskussion um
den Verfassungsschutz und mutmaßliche Informationsweitergabe
überhaupt gar keine Vermutungssituationen aufkommen zu lassen und
klar zu trennen. Ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit wäre ein
solcher Mitarbeiter wie S. für ihn ein "Sicherheitsrisiko", wenn er
so offen mit seiner Tätigkeit beim Geheimdienst hausieren gehe: "Er
macht sich nicht nur erpressbar, sondern auch zum möglichen Ziel von
Angriffen anderer Nachrichtendienste im Bereich der Spionage. Das
heißt, er geht damit schon in den Bereich hinein, wo er nicht nur
sich selbst, sondern auch die eigene Behörde gefährdet. Völlig
indiskutabel", sagte Kramer gegenüber "Panorama".
Mit dem Listenplatz hat es für S. 2014 nicht geklappt. Er
engagierte sich fortan weiter als Vize-Vorsitzender des Kreisverbands
Mittelsachsen, den er 2013 mitbegründet hatte, schrieb unter anderem
am Wahlprogramm der sächsischen AfD mit und ging zuletzt bei dem so
genannten "Trauermarsch" der AfD am 1. September in Chemnitz auf die
Straße.
Rechtsradikale will S. dort nur vereinzelt entdeckt haben, auch
den mehrfach verurteilten Pegida-Chef Lutz Bachmann habe er nur
später im Fernsehen gesehen. "Live leider nicht", sagte S. den
"Panorama"-Reportern. "Wenn man schon mal die Chance hat, würde ich
ihm ja auch mal Guten Tag sagen." An Pegida habe er nichts
auszusetzen, das seien ja einfach nur friedliche Demonstrationen in
Dresden.
Auch an der "Identitären Bewegung" hat S. nichts auszusetzen - und
steht da konträr zu seiner Behörde, die die Organisation sowohl auf
Bundesebene als auch in Sachsen als "rechtsextrem" einstuft. Die IB
betreibe lediglich "intelligente Aktionsformen", so S. gegenüber
"Panorama". "Die ketten sich an keine Schienen, an keine
Baufahrzeuge, an nichts. Die hängen Plakate auf, da steht nichts
Verbotenes drauf, soweit ich das feststellen kann."
Stephan J. Kramer betrachtet es als "bedenklichen Vorgang, wenn
ein Mitarbeiter eines Verfassungsschutzes ein Beobachtungsobjekt wie
die IB quasi öffentlich von der Eigenschaft als Beobachtungsobjekt
freisprechen will."
Kerstin Köditz betont, dass S. als Beamter einer besonderen
Treuepflicht unterliege. "Dazu gehört natürlich auch, dass
Entscheidungen seines Dienstherrn nicht öffentlich in Zweifel gezogen
werden dürfen. Ich sehe bei diesem Fall damit den berühmten Tropfen,
der das Fass zu überlaufen bringt. Immerhin hatte er sich bereits
vorher öffentlich als Verfassungsschutzmitarbeiter geoutet, obwohl
ihm dies in seiner Stellung untersagt wäre. Ich erwarte ganz einfach,
dass in einem rechtlich einwandfreien Verfahren Disziplinarmaßnahmen
eingeleitet werden."
Der Landesvorstand der AfD Sachsen war zu keiner Stellungnahme
bereit.
"Panorama": Donnerstag, 20. September, 21.45 Uhr, Das Erste
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Iris Bents
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