18.07.2021 17:31 | taz - die tageszeitung | Presseschau
0 00,00 0 Bewertung(en) Bewertung schreiben
0 00,00 0 Bewertung(en) Bewertung schreiben
Laschet kann keine Krise/Kommentar von Stefan Reinecke
Deutschland (ots) - Wenn Politiker in Katastrophengebieten auftreten, ist das immer zwiespältig. Sie betreiben, was sonst, immer auch Imagepflege. Sie können Tatkraft ausstrahlen. Endlich gibt es mal andere Bilder als bloß Autotüren, die sich öffnen. Könnte man auf diese Inszenierung nicht verzichten?
Nein, kann man nicht. Wenn Kleinstädte unter Schlamm verschwinden und Existenzen vernichtet werden, müssen der Bundespräsident, die Kanzlerin und die MinisterpräsidentInnen sowieso vor Ort sein. Eine dürre Erklärung aus dem Homeoffice würde zu Recht als Zeichen der Geringschätzung verstanden - doch nicht so wichtig.
Krisen sind wie ein Lackmustest. PolitikerInnen können dabei viel gewinnen. Hannelore Kraft galt auch wegen ihres unprätentiösen, empathischen Auftritts bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg 2010 lange als fähige Ministerpräsidentin. Olaf Scholz ließ sich nun knapp blicken und kündigte Hilfen an. Scholz' Währung in der Krise ist Geld. Gefühle hätte man ihm sowieso nicht geglaubt. Robert Habeck verzichtete darauf, Katastrophe und Klima zu verkoppeln. Alle Vernünftigen wissen dies selbst. Es als Grüner zu betonen, hätte wie Krisengewinnlerei ausgesehen.
Nur Armin Laschet macht mit untrüglichem Gespür alles falsch. In einem konfrontativ geführten WDR-Interview ließ er sich zu dem Satz verleiten, man könne ja wegen eines Tages "nicht die Politik ändern". Am Samstag kicherte er im Hintergrund, während Frank-Walter Steinmeier eine, angesichts von mehr als 140 Toten, angemessen gravitätische Rede hielt.
Mal einen schlechten Moment bei einem Interview, mal ein Lachen zur falschen Zeit - das kann passieren. Merkel, der Selbstbeherrschten, sind in 16 Jahren solche Fehler allerdings fast nie unterlaufen. Bei Laschet häufen sie sich. Nur deshalb entfalten sie eine so wuchtige Wirkung. Sie sind keine dummen Zufälle, sondern bekräftigen ein Bild von ihm. Er ist der Mann, der schon in der Coronakrise mit den Armen fuchtelnd in Talkshows saß, und anstatt Souveränität auszustrahlen entfesselt nervös wirkte.
Politikerkrisenauftritte suggerieren oft eine Art falsche Unmittelbarkeit. Die Bilder wirken oft stärker, als es für rationalen politischen Diskurs gut ist. Gerhard Schröder, der sich in Regenkleidung als Macher zu inszenieren verstand, war deshalb als Kanzler ja keinen Deut besser.
Manchmal aber sind diese Bilder doch sprechend. Laschet beherrscht die Codes der Krisenkommunikation nicht. Er reagiert in Krisen beängstigend überfordert. Will man wirklich jemand im Kanzleramt, den schon ein WDR-Interview aus der Fassung bringt?
Pressekontakt:
taz - die tageszeitung
Susanne Knaul
Telefon: +49 30 25902 255
meinung@taz.de
Original-Content von: taz - die tageszeitung, übermittelt durch news aktuell
Nein, kann man nicht. Wenn Kleinstädte unter Schlamm verschwinden und Existenzen vernichtet werden, müssen der Bundespräsident, die Kanzlerin und die MinisterpräsidentInnen sowieso vor Ort sein. Eine dürre Erklärung aus dem Homeoffice würde zu Recht als Zeichen der Geringschätzung verstanden - doch nicht so wichtig.
Krisen sind wie ein Lackmustest. PolitikerInnen können dabei viel gewinnen. Hannelore Kraft galt auch wegen ihres unprätentiösen, empathischen Auftritts bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg 2010 lange als fähige Ministerpräsidentin. Olaf Scholz ließ sich nun knapp blicken und kündigte Hilfen an. Scholz' Währung in der Krise ist Geld. Gefühle hätte man ihm sowieso nicht geglaubt. Robert Habeck verzichtete darauf, Katastrophe und Klima zu verkoppeln. Alle Vernünftigen wissen dies selbst. Es als Grüner zu betonen, hätte wie Krisengewinnlerei ausgesehen.
Nur Armin Laschet macht mit untrüglichem Gespür alles falsch. In einem konfrontativ geführten WDR-Interview ließ er sich zu dem Satz verleiten, man könne ja wegen eines Tages "nicht die Politik ändern". Am Samstag kicherte er im Hintergrund, während Frank-Walter Steinmeier eine, angesichts von mehr als 140 Toten, angemessen gravitätische Rede hielt.
Mal einen schlechten Moment bei einem Interview, mal ein Lachen zur falschen Zeit - das kann passieren. Merkel, der Selbstbeherrschten, sind in 16 Jahren solche Fehler allerdings fast nie unterlaufen. Bei Laschet häufen sie sich. Nur deshalb entfalten sie eine so wuchtige Wirkung. Sie sind keine dummen Zufälle, sondern bekräftigen ein Bild von ihm. Er ist der Mann, der schon in der Coronakrise mit den Armen fuchtelnd in Talkshows saß, und anstatt Souveränität auszustrahlen entfesselt nervös wirkte.
Politikerkrisenauftritte suggerieren oft eine Art falsche Unmittelbarkeit. Die Bilder wirken oft stärker, als es für rationalen politischen Diskurs gut ist. Gerhard Schröder, der sich in Regenkleidung als Macher zu inszenieren verstand, war deshalb als Kanzler ja keinen Deut besser.
Manchmal aber sind diese Bilder doch sprechend. Laschet beherrscht die Codes der Krisenkommunikation nicht. Er reagiert in Krisen beängstigend überfordert. Will man wirklich jemand im Kanzleramt, den schon ein WDR-Interview aus der Fassung bringt?
Pressekontakt:
taz - die tageszeitung
Susanne Knaul
Telefon: +49 30 25902 255
meinung@taz.de
Original-Content von: taz - die tageszeitung, übermittelt durch news aktuell
Schlagwörter
Das könnte Sie auch interessieren
WAZ:IG Metall fordert Job- und Standortgarantie bei Thyssenkrupp Steel - "Wir geben HKM nicht auf"
Essen (ots) - Angesichts des Einstiegs des tschechischen Investors Daniel Kretinsky bei Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp fordert die IG Metall Arbeitsplatz- und Standortgarantien. "Her...Artikel lesen50 Jahre medizini / Ernie & Bert und das Krümelmonster gratulieren!
Baierbrunn (ots) - Anmoderation: Erwachsene kennen es aus ihrer Kindheit und inzwischen von den eigenen Kindern und Enkeln: Das Kinderpostermagazin medizini, das es in der Apotheke gibt, lässt seit ...Artikel lesenMonport stellt hochmoderne Faserlaser-Markierungsmaschinen vor: GA-Faser vs. GP-Faser
Berlin (ots/PRNewswire) - Monport, ein Pionier in der Lasermarkierungstechnologie, freut sich, die Einführung zweier bahnbrechender Faserlaser (https://www.monportlaser.de/collections/faserlaser-gra...Artikel lesen3. Liga live bei MagentaSport: letzte Chance für den MSV am Freitag vs Absteiger Lübeck / Löwen lassen sich in Haching vorführen, Ulm baut mit Flunker-Tor die Spitze aus, RWE will wirklich aufsteigen
München (ots) - Ulm bleibt die Nummer 1 der Liga, auch wenn ein "Flunker-Tor" in Freiburg den Ausbau der Tabellenführung auf nunmehr 6 Punkte auf den Zweiten Regensburg und 7 Punkte auf den Dritten ...Artikel lesenFDP-Parteitag: Richtige Botschaft / Kommentar von Tobias Peter
Freiburg (ots) - It's the economy, Olaf! Herr Bundeskanzler, die Regierung muss dringend etwas für mehr Wirtschaftswachstum in diesem Land tun! Das ist die Botschaft, die vom FDP-Parteitag ausgeht. ...Artikel lesenMeistgelesen
- Der goldene Hase in München (FOTO)
- Das Erste: "Verliebt in Kroatien" (FOTO)
- PwC: Authentifizierung per Fingerabdruck ist im Mobile Banking eine Generationenfrage
- DER BESTE EXPORT SEIT LEGO! / Standing Ovations für den LADYDOC aus Dänemark / Sensation beim 14. Internationalen Speaker Slam
- Masters of Dance: Perfekte Harmonie (FOTO)
Meist kommentiert
- Quietschgelber Bienenfutter Automat in Fischbachtal
- Stoppt die Überfischung in der Ostsee: Deutsche Umwelthilfe und Our Fish fordern konsequente Umsetzung der wissenschaftlichen Empfehlungen für 2022
- Der Hund ist, was er isst
- Initiative "Justiz und Medien - konsequent gegen Hass" zieht erste Bilanz / Demokratie und Meinungsfreiheit schützen / Hass und Hetze konsequent verfolgen (FOTO)