05.12.2019 17:22 | Landeszeitung Lüneburg | Presseschau
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Landeszeitung Lüneburg: "Hart aber fair an die Wand nageln" Maike Schulz-Broers säte den Bauernprotest und will den Staffelstab von Fridays-for-Future übernehmen
Lüneburg (ots) - Von Joachim Zießler
Erst Anfang Oktober haben Sie Ihre Facebook-Gruppe gegründet, um die Bauern
zusammenzubringen. Hat Sie Ihr Erfolg überrascht? Maike Schulz-Broers: Ja,
total. Es ist überwältigend. In der Gruppe sind mittlerweile 25 000
Landwirte verzeichnet. Daneben gibt es noch eine Fan-Page auf Facebook mit etwa
22 000 Mitgliedern - wobei es hier sicherlich Überschneidungen gibt. Dazu
haben wir natürlich wirklich viele Bauern für die Trecker-Proteste auf die
Straße gebracht.
Die Traktoren im Regierungsviertel haben spektakuläre Bilder produziert. Doch
deren Wirkung verpufft schnell. Wie wollen Sie den Druck hochhalten? Eine reine
Machtdemonstration würde tatsächlich nichts bringen. Jetzt muss es in die Tiefe
gehen. Jetzt müssen wir die PS, die wir auf der Straße gezeigt haben, auch in
die Gespräche mit der Politik bringen. Bei dem Agrargipfel am Montag im
Kanzleramt mit 40 Organisationen stellen wir zwei Plätze. Dazu müssen wir mit
den Bundestagsabgeordneten in ihren Wahlkreisen reden. Wir werden sie an vielen
Orten zu Podiumsdiskussionen einladen und dann hart, aber fair an die Wand
nageln. Das haben wir in Ebstorf bereits mit der niedersächsischen
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast gemacht und im Emsland mit Albert
Stegemann, dem agrarpolitischen Sprecher der Union.
Gilt Ihr Weckruf nur der Politik? Nein, Adressaten sind natürlich auch die
Verbraucher. So sind wir mit Infoständen auf Weihnachtsmärkten präsent und
öffnen Höfe für interessierte Bürger. Durch die Demos sind diese derzeit auch so
aufgeweckt, dass sie derartige Angebote gerne annehmen. Die Menschen wollen
hinter die Kulissen schauen und alles hinterfragen. Und genau das bezwecken wir.
Kanzlerin Merkel reagiert und beruft einen Agrargipfel ein. Hoffen Sie auf
Änderungen am Agrarpaket, das nun Chefsache ist? Ehrlich? (Lacht) Nein, da mache
ich mir keine Illusionen. Es wäre schön, wenn die Bundesregierung einlenken
würde, aber ich glaube nicht, dass es so kommen wird.
Schwächt es die Bauernschaft, wenn "Land schafft Verbindung" und Bauernverband
nicht an einem Strang ziehen? Nein, weil beide unterschiedliche Aufgaben haben.
Dass der Bauernverband jetzt endlich mal wieder seine Arbeit macht, hat sich aus
der Wucht der Demos ergeben. Vorher war unter Bauern oft die Klage zu hören,
sich in der Politik durch den Bauernverband nicht vertreten zu fühlen. Und wer
mag schon gerne ohnmächtiger Spielball sein? "Land schafft Verbindung" sieht
sich aber eher in der Rolle, die Verbindung zwischen Landwirtschaft, Politik und
Gesellschaft zu schaffen. Hier soll wieder ein dauerhafter Gesprächsfaden
entstehen. Der Bauernverband soll dementgegen die Interessen seiner Mitglieder
vertreten.
Sie beklagen ein Bauernbashing. Wird die Landwirtschaft in einer verstädterten
Kultur zu wenig wertgeschätzt? Ja, das sehe ich so. Die Menschen haben - nicht
nur in Deutschland - vergessen, wo die Lebensmittel produziert werden. Alles,
was in den Regalen der Händler liegt, hat seinen Ursprung in der Landwirtschaft.
Aber das haben die Menschen leider nicht mehr auf dem Schirm. Man greift im
Supermarkt ins Regal und vergisst dabei, was für eine Arbeit dahintersteckt. Das
stimmt uns sehr traurig.
Klassiker ist die Milch, die billiger ist als Wasser... ... oder Aldi, das
passend zur Bauerndemo den Preis der Milch um zwei Cent anhebt - das Geld aber
nicht weiterreicht zu den Landwirten. Das dient der Beruhigung der Bevölkerung,
hilft uns aber nicht.
Bauern sind durch Extremregen oder Dürren mit am stärksten vom Klimawandel
betroffen. Wieso empfinden sie Umweltschutz dann offenbar als Last? Umweltschutz
ist keine Last. Wir betreiben ihn jeden Tag, leben ihn geradezu - und das seit
Jahrhunderten. Würden wir unsere Flächen nicht entsprechend pflegen, wären sie
heute nicht mehr so produktionsfähig. Nur gesunde Böden können etwas leisten.
Für besonderen Unmut haben die Einschränkungen beim Einsatz von Herbiziden und
Insektiziden in Schutzgebieten gesorgt. Was stört Sie daran? Dass nicht
ausreichend gefragt wird, was sinnvoll und was ideologisch bedingt ist. Zwar mag
es beim ersten Betrachten so wirken, als würden die Insekten verschwinden. Dann
beißt es sich allerdings, wenn in Bayern das Volksbegehren "Rettet die Biene"
umgesetzt wird und gleichzeitig an Gewässern mit Insektiziden Mücken abgetötet
werden. Wenn schon Insektenschutz, dann doch für alle. Wenn Insektenschutz
fachlich begründet ist, sind wir mit dabei. Aber es kann nicht sein, dass die
Obstbauern im Süden, deren Bäume vorwiegend in Naturschutzgebieten stehen,
künftig auf Insektenschutzmittel verzichten sollen, die allein ihnen die Ernte
sichern können. Hier braucht es ein gesundes Mittelmaß.
Laut Biologen reichen die Beschränkungen im Agrarpaket noch nicht mal
ansatzweise, um das Insektensterben aufzuhalten... Guckt man sich die viel
zitierte Krefelder Studie zum Insektensterben genauer an, sieht man, dass
einzelne Arten einen Verlust an Biomasse von 75 Prozent haben - aber zum Teil
einen Zuwachs bei der Artenvielfalt. So war die Region, die Forscher über 30
Jahre lang untersucht haben, die meiste Zeit sehr trocken. Nach deren Vernässung
wanderten die Arten, die dieses nicht vertragen, natürlich ab. Man muss sich die
Mühe machen, zu hinterfragen, ob das, was die uns erzählen Fakt oder Fake ist.
Halten Sie das Artensterben für "Fake News"? Nein, aber ich glaube, dass sich
die Welt seit Jahrmillionen ständig verändert. So gab es das Massenaussterben
der Dinosaurier. Die Welt hört nicht auf, sich zu entwickeln. So kann man den
aussterbenden Arten auch die entgegenhalten, die jedes Jahr neu entdeckt werden.
Wenn Umweltschutz die Höfe bedroht, sollte es dann dem Bauern besser bezahlt
werden, wenn er mit Stallmist statt mit Gülle düngt, wenn er Hecken oder
Streuobstwiesen anlegt? Dafür gibt es ja schon Geld. Nein, es macht wenig Sinn,
an dieser Stellschraube weiter zu drehen. Besser wäre es, wenn wir für unsere
Produkte besser bezahlt würden.
Kann ein Tierwohl-Label für Fleischprodukte helfen, damit Verbraucher nach
teureren Produkten greifen? Das glaube ich nicht. Wiesenhof hat so etwas mal mit
Hähnchen versucht, um sie teurer verkaufen zu können. Die Verbraucher griffen
weiter nach den billigen. Wenn man sieht, wie wenige Menschen "bio" kaufen und
wie viele "konventionell", ist auch klar, dass sich ganze Bevölkerungsschichten
die Öko-Ware nicht leisten können.
Verschärfte Düngeregeln sollen nur in Roten Gebieten mit hohen Nitratwerten im
Grundwasser gelten. Was ist daran falsch? Offenbar können die Pflanzen die
Stickstoffmengen nicht verarbeiten. Das stimmt so nicht. Tatsächlich liegt hier
der Fehler im Messsystem. 2013 setzten alle Nachbarländer die EU-Vorgabe, ihr
Messstellensystem zu melden, so um, dass sie sämtliche Brunnen meldeten. Nur
nicht Deutschland. Die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks meldete nur
die belasteten Brunnen. Würden wir wie alle anderen einen Durchschnittswert
nehmen, gäbe es gar kein Problem.
Auf Ihrem Hof haben Sie da ein spezielles Problem... ... Genau. Bei uns sind
alle Flächen rot. Die Messstelle liegt aber in einem Waldstück. Das verfälscht
die Ergebnisse, denn wenn Laub verrottet, erhöht dies die Nitratwerte im Boden.
Wir düngen nicht nach dem Motto "Viel hilft viel", sondern erstellen für unsere
Äcker Bedarfsrechnungen. Es kommen nur so viel Nährstoffe auf den Boden, wie die
abzuerntenden Pflanzen aufnehmen. Jeder Überschuss hemmt das Pflanzenwachstum.
So haben wir auf einem Feld lange einen Kalkhügel stehen gehabt. Obwohl der seit
langem abgetragen ist, wachsen dort nur bestimmte Pflanzen. Werden wir aber von
der Politik dazu gezwungen, 20 Prozent unter dem Bedarf zu düngen, holen sich
die Pflanzen das Fehlende aus dem Boden. Der Boden verhungert. Das ist eine
kalte Enteignung, weil die Böden unser Kapital sind.
Pro Jahr fließen 58 Milliarden Euro der EU in die Landwirtschaft, jeder
EU-Bürger fördert demnach im Schnitt mit 114 Euro. Trotzdem fühlen Sie sich
nicht genug gefördert. Muss das Subventionssystem umgebaut werden? Zum einen
erhalten wir keine Subventionen, sondern Direktzahlungen. Und die sind bei uns
eigentlich an der falschen Stelle angedockt. Denn im Kern geht es darum, die
Lebensmittel, die wir produzieren, für den Verbraucher billig zu machen. Also
wäre es besser, wenn wir angemessene, höhere Preise für unsere Güter erhielten
und der Handel die Zahlungen erhielte, um Niedrigpreise darstellen zu können. So
gesehen sollte das gesamte System tatsächlich umgebaut werden. Was uns Landwirte
betrifft, wäre es am besten, es würde wegfallen.
Sind die Treckerkonvois der Konter auf die Fridays-for-Future-Demos? Als ich
"Land schafft Verbindung" losgetreten habe, hatte ich schon die Demonstrationen
im Kopf. Mein Gedanke war: Hier haben die Jugendlichen die Forderung
aufgestellt, sorgsamer mit ihrer Zukunft umzugehen. Aber es ist niemand da, der
eine vernünftige Lösung anbietet. Das machen wir nun. Schön wäre es, wenn wir
Bauern in diesem Sinne den Staffelstab übernehmen könnten.
Zur Person
Es begann mit einer Facebook-Gruppe Maike Schulz-Broers ist Bäuerin in Schwienau
(Landkreis Uelzen). Anfang Oktober gründete sie die Facebookgruppe "Land schafft
Verbindung", die in den Wochen darauf das Land mit Treckerdemos in Atem hielt.
Die 48-Jährige hat 2018 die Bürgerinitiative "Wölfe vs. Land" gegründet. Jetzt
wirft sie Politik und NGOs ein "Bauernbashing" vor. Ihr Motto: "Redet mit uns,
nicht einfach nur über uns."
Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/65442/4460356
OTS: Landeszeitung Lüneburg
Original-Content von: Landeszeitung Lüneburg, übermittelt durch news aktuell
Erst Anfang Oktober haben Sie Ihre Facebook-Gruppe gegründet, um die Bauern
zusammenzubringen. Hat Sie Ihr Erfolg überrascht? Maike Schulz-Broers: Ja,
total. Es ist überwältigend. In der Gruppe sind mittlerweile 25 000
Landwirte verzeichnet. Daneben gibt es noch eine Fan-Page auf Facebook mit etwa
22 000 Mitgliedern - wobei es hier sicherlich Überschneidungen gibt. Dazu
haben wir natürlich wirklich viele Bauern für die Trecker-Proteste auf die
Straße gebracht.
Die Traktoren im Regierungsviertel haben spektakuläre Bilder produziert. Doch
deren Wirkung verpufft schnell. Wie wollen Sie den Druck hochhalten? Eine reine
Machtdemonstration würde tatsächlich nichts bringen. Jetzt muss es in die Tiefe
gehen. Jetzt müssen wir die PS, die wir auf der Straße gezeigt haben, auch in
die Gespräche mit der Politik bringen. Bei dem Agrargipfel am Montag im
Kanzleramt mit 40 Organisationen stellen wir zwei Plätze. Dazu müssen wir mit
den Bundestagsabgeordneten in ihren Wahlkreisen reden. Wir werden sie an vielen
Orten zu Podiumsdiskussionen einladen und dann hart, aber fair an die Wand
nageln. Das haben wir in Ebstorf bereits mit der niedersächsischen
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast gemacht und im Emsland mit Albert
Stegemann, dem agrarpolitischen Sprecher der Union.
Gilt Ihr Weckruf nur der Politik? Nein, Adressaten sind natürlich auch die
Verbraucher. So sind wir mit Infoständen auf Weihnachtsmärkten präsent und
öffnen Höfe für interessierte Bürger. Durch die Demos sind diese derzeit auch so
aufgeweckt, dass sie derartige Angebote gerne annehmen. Die Menschen wollen
hinter die Kulissen schauen und alles hinterfragen. Und genau das bezwecken wir.
Kanzlerin Merkel reagiert und beruft einen Agrargipfel ein. Hoffen Sie auf
Änderungen am Agrarpaket, das nun Chefsache ist? Ehrlich? (Lacht) Nein, da mache
ich mir keine Illusionen. Es wäre schön, wenn die Bundesregierung einlenken
würde, aber ich glaube nicht, dass es so kommen wird.
Schwächt es die Bauernschaft, wenn "Land schafft Verbindung" und Bauernverband
nicht an einem Strang ziehen? Nein, weil beide unterschiedliche Aufgaben haben.
Dass der Bauernverband jetzt endlich mal wieder seine Arbeit macht, hat sich aus
der Wucht der Demos ergeben. Vorher war unter Bauern oft die Klage zu hören,
sich in der Politik durch den Bauernverband nicht vertreten zu fühlen. Und wer
mag schon gerne ohnmächtiger Spielball sein? "Land schafft Verbindung" sieht
sich aber eher in der Rolle, die Verbindung zwischen Landwirtschaft, Politik und
Gesellschaft zu schaffen. Hier soll wieder ein dauerhafter Gesprächsfaden
entstehen. Der Bauernverband soll dementgegen die Interessen seiner Mitglieder
vertreten.
Sie beklagen ein Bauernbashing. Wird die Landwirtschaft in einer verstädterten
Kultur zu wenig wertgeschätzt? Ja, das sehe ich so. Die Menschen haben - nicht
nur in Deutschland - vergessen, wo die Lebensmittel produziert werden. Alles,
was in den Regalen der Händler liegt, hat seinen Ursprung in der Landwirtschaft.
Aber das haben die Menschen leider nicht mehr auf dem Schirm. Man greift im
Supermarkt ins Regal und vergisst dabei, was für eine Arbeit dahintersteckt. Das
stimmt uns sehr traurig.
Klassiker ist die Milch, die billiger ist als Wasser... ... oder Aldi, das
passend zur Bauerndemo den Preis der Milch um zwei Cent anhebt - das Geld aber
nicht weiterreicht zu den Landwirten. Das dient der Beruhigung der Bevölkerung,
hilft uns aber nicht.
Bauern sind durch Extremregen oder Dürren mit am stärksten vom Klimawandel
betroffen. Wieso empfinden sie Umweltschutz dann offenbar als Last? Umweltschutz
ist keine Last. Wir betreiben ihn jeden Tag, leben ihn geradezu - und das seit
Jahrhunderten. Würden wir unsere Flächen nicht entsprechend pflegen, wären sie
heute nicht mehr so produktionsfähig. Nur gesunde Böden können etwas leisten.
Für besonderen Unmut haben die Einschränkungen beim Einsatz von Herbiziden und
Insektiziden in Schutzgebieten gesorgt. Was stört Sie daran? Dass nicht
ausreichend gefragt wird, was sinnvoll und was ideologisch bedingt ist. Zwar mag
es beim ersten Betrachten so wirken, als würden die Insekten verschwinden. Dann
beißt es sich allerdings, wenn in Bayern das Volksbegehren "Rettet die Biene"
umgesetzt wird und gleichzeitig an Gewässern mit Insektiziden Mücken abgetötet
werden. Wenn schon Insektenschutz, dann doch für alle. Wenn Insektenschutz
fachlich begründet ist, sind wir mit dabei. Aber es kann nicht sein, dass die
Obstbauern im Süden, deren Bäume vorwiegend in Naturschutzgebieten stehen,
künftig auf Insektenschutzmittel verzichten sollen, die allein ihnen die Ernte
sichern können. Hier braucht es ein gesundes Mittelmaß.
Laut Biologen reichen die Beschränkungen im Agrarpaket noch nicht mal
ansatzweise, um das Insektensterben aufzuhalten... Guckt man sich die viel
zitierte Krefelder Studie zum Insektensterben genauer an, sieht man, dass
einzelne Arten einen Verlust an Biomasse von 75 Prozent haben - aber zum Teil
einen Zuwachs bei der Artenvielfalt. So war die Region, die Forscher über 30
Jahre lang untersucht haben, die meiste Zeit sehr trocken. Nach deren Vernässung
wanderten die Arten, die dieses nicht vertragen, natürlich ab. Man muss sich die
Mühe machen, zu hinterfragen, ob das, was die uns erzählen Fakt oder Fake ist.
Halten Sie das Artensterben für "Fake News"? Nein, aber ich glaube, dass sich
die Welt seit Jahrmillionen ständig verändert. So gab es das Massenaussterben
der Dinosaurier. Die Welt hört nicht auf, sich zu entwickeln. So kann man den
aussterbenden Arten auch die entgegenhalten, die jedes Jahr neu entdeckt werden.
Wenn Umweltschutz die Höfe bedroht, sollte es dann dem Bauern besser bezahlt
werden, wenn er mit Stallmist statt mit Gülle düngt, wenn er Hecken oder
Streuobstwiesen anlegt? Dafür gibt es ja schon Geld. Nein, es macht wenig Sinn,
an dieser Stellschraube weiter zu drehen. Besser wäre es, wenn wir für unsere
Produkte besser bezahlt würden.
Kann ein Tierwohl-Label für Fleischprodukte helfen, damit Verbraucher nach
teureren Produkten greifen? Das glaube ich nicht. Wiesenhof hat so etwas mal mit
Hähnchen versucht, um sie teurer verkaufen zu können. Die Verbraucher griffen
weiter nach den billigen. Wenn man sieht, wie wenige Menschen "bio" kaufen und
wie viele "konventionell", ist auch klar, dass sich ganze Bevölkerungsschichten
die Öko-Ware nicht leisten können.
Verschärfte Düngeregeln sollen nur in Roten Gebieten mit hohen Nitratwerten im
Grundwasser gelten. Was ist daran falsch? Offenbar können die Pflanzen die
Stickstoffmengen nicht verarbeiten. Das stimmt so nicht. Tatsächlich liegt hier
der Fehler im Messsystem. 2013 setzten alle Nachbarländer die EU-Vorgabe, ihr
Messstellensystem zu melden, so um, dass sie sämtliche Brunnen meldeten. Nur
nicht Deutschland. Die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks meldete nur
die belasteten Brunnen. Würden wir wie alle anderen einen Durchschnittswert
nehmen, gäbe es gar kein Problem.
Auf Ihrem Hof haben Sie da ein spezielles Problem... ... Genau. Bei uns sind
alle Flächen rot. Die Messstelle liegt aber in einem Waldstück. Das verfälscht
die Ergebnisse, denn wenn Laub verrottet, erhöht dies die Nitratwerte im Boden.
Wir düngen nicht nach dem Motto "Viel hilft viel", sondern erstellen für unsere
Äcker Bedarfsrechnungen. Es kommen nur so viel Nährstoffe auf den Boden, wie die
abzuerntenden Pflanzen aufnehmen. Jeder Überschuss hemmt das Pflanzenwachstum.
So haben wir auf einem Feld lange einen Kalkhügel stehen gehabt. Obwohl der seit
langem abgetragen ist, wachsen dort nur bestimmte Pflanzen. Werden wir aber von
der Politik dazu gezwungen, 20 Prozent unter dem Bedarf zu düngen, holen sich
die Pflanzen das Fehlende aus dem Boden. Der Boden verhungert. Das ist eine
kalte Enteignung, weil die Böden unser Kapital sind.
Pro Jahr fließen 58 Milliarden Euro der EU in die Landwirtschaft, jeder
EU-Bürger fördert demnach im Schnitt mit 114 Euro. Trotzdem fühlen Sie sich
nicht genug gefördert. Muss das Subventionssystem umgebaut werden? Zum einen
erhalten wir keine Subventionen, sondern Direktzahlungen. Und die sind bei uns
eigentlich an der falschen Stelle angedockt. Denn im Kern geht es darum, die
Lebensmittel, die wir produzieren, für den Verbraucher billig zu machen. Also
wäre es besser, wenn wir angemessene, höhere Preise für unsere Güter erhielten
und der Handel die Zahlungen erhielte, um Niedrigpreise darstellen zu können. So
gesehen sollte das gesamte System tatsächlich umgebaut werden. Was uns Landwirte
betrifft, wäre es am besten, es würde wegfallen.
Sind die Treckerkonvois der Konter auf die Fridays-for-Future-Demos? Als ich
"Land schafft Verbindung" losgetreten habe, hatte ich schon die Demonstrationen
im Kopf. Mein Gedanke war: Hier haben die Jugendlichen die Forderung
aufgestellt, sorgsamer mit ihrer Zukunft umzugehen. Aber es ist niemand da, der
eine vernünftige Lösung anbietet. Das machen wir nun. Schön wäre es, wenn wir
Bauern in diesem Sinne den Staffelstab übernehmen könnten.
Zur Person
Es begann mit einer Facebook-Gruppe Maike Schulz-Broers ist Bäuerin in Schwienau
(Landkreis Uelzen). Anfang Oktober gründete sie die Facebookgruppe "Land schafft
Verbindung", die in den Wochen darauf das Land mit Treckerdemos in Atem hielt.
Die 48-Jährige hat 2018 die Bürgerinitiative "Wölfe vs. Land" gegründet. Jetzt
wirft sie Politik und NGOs ein "Bauernbashing" vor. Ihr Motto: "Redet mit uns,
nicht einfach nur über uns."
Pressekontakt:
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Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
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Politik , Innenpolitik ,
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