23.02.2020 21:00 | Westfalen-Blatt | Presseschau
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WESTFALEN-BLATT (Bielefeld): Kommentar zur Hamburg-Wahl
Bielefeld (ots) - Na also, die SPD kann doch noch Wahlen gewinnen - und wie!
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher lässt das Willy-Brandt-Haus jubeln,
obwohl die Parteizentrale herzlich wenig mit diesem Sieg zu tun hat. So liegt
auch falsch, wer in diesem Erfolg schon eine Trendwende für die Bundes-SPD
sieht.
Im Gegenteil: Dieser Triumph wurde ausschließlich vor Ort erkämpft. Tschentscher
und Co. hatten früh deutlich gemacht, dass sie keine Wahlkampfhilfe aus Berlin
wünschen. Und das neue Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hielt
sich dran. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Freie und Hansestadt
traditionell ein sozialdemokratisches Pflaster ist. Nur CDU-Mann Ole von Beust
hatte die Dominanz der SPD einst durchbrechen können.
Die Hamburger Sozialdemokraten agieren bewusst wirtschaftsnah. Auch der Übergang
von Olaf Scholz zu Peter Tschentscher vor zwei Jahren hat nahezu geräuschlos
geklappt. Der Erste Bürgermeister ist ähnlich wie sein Vorgänger keiner, der das
Volk zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Doch seine solide und verlässliche Art
kommt an. So gelang es Tschentscher und seiner SPD am Ende auch, die Grünen klar
hinter sich zu lassen - obwohl diese ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln
konnten.
Natürlich hat Rot-Grün, das nun wohl in dieser Konstellation weiterregieren
wird, in den vergangenen zweieinhalb Wochen auch von den Ereignissen in
Thüringen profitiert, während FDP und CDU doppelt schweren Stand hatten. Für die
Hamburger Liberalen hat das womöglich existenzielle Folgen, die FDP musste um
den Einzug in die Bürgerschaft zittern. Und so oder so dürfte der Druck auf den
ohnehin schwer angeschlagen wirkenden Bundesvorsitzenden Christian Lindner
weiter steigen.
Keinen Deut besser steht es um die CDU: Es spricht Bände, dass das historisch
schlechte Ergebnis in Hamburg gar nicht mal ihr Hauptproblem ist. Vielmehr droht
die Frage "Wie weiter nach Erfurt?" die Partei endgültig aus den Angeln zu
heben. Die Bundespartei und der thüringische Landesverband finden einfach nicht
zueinander. Was ist noch Pragmatismus, was schon Prinzipienlosigkeit?
Generalsekretär Paul Ziemiak wirkt hilflos, auch die Vorhaltungen von Jens Spahn
und Friedrich Merz scheinen in Thüringen niemanden zu interessieren.
Führungslosigkeit in Reinkultur. Die CDU hat keinen Plan - weder für die urbanen
Räume wie Hamburg noch für den Osten. Und sie ist trotzdem drauf und dran, alle
Schleusen zu öffnen. Doch einen Sündenfall behebt man nicht, in dem man den
nächsten begeht.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Ulrich Windolph
Telefon: 0521 585-261
wb@westfalen-blatt.de
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/66306/4527796
OTS: Westfalen-Blatt
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher lässt das Willy-Brandt-Haus jubeln,
obwohl die Parteizentrale herzlich wenig mit diesem Sieg zu tun hat. So liegt
auch falsch, wer in diesem Erfolg schon eine Trendwende für die Bundes-SPD
sieht.
Im Gegenteil: Dieser Triumph wurde ausschließlich vor Ort erkämpft. Tschentscher
und Co. hatten früh deutlich gemacht, dass sie keine Wahlkampfhilfe aus Berlin
wünschen. Und das neue Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hielt
sich dran. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Freie und Hansestadt
traditionell ein sozialdemokratisches Pflaster ist. Nur CDU-Mann Ole von Beust
hatte die Dominanz der SPD einst durchbrechen können.
Die Hamburger Sozialdemokraten agieren bewusst wirtschaftsnah. Auch der Übergang
von Olaf Scholz zu Peter Tschentscher vor zwei Jahren hat nahezu geräuschlos
geklappt. Der Erste Bürgermeister ist ähnlich wie sein Vorgänger keiner, der das
Volk zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Doch seine solide und verlässliche Art
kommt an. So gelang es Tschentscher und seiner SPD am Ende auch, die Grünen klar
hinter sich zu lassen - obwohl diese ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln
konnten.
Natürlich hat Rot-Grün, das nun wohl in dieser Konstellation weiterregieren
wird, in den vergangenen zweieinhalb Wochen auch von den Ereignissen in
Thüringen profitiert, während FDP und CDU doppelt schweren Stand hatten. Für die
Hamburger Liberalen hat das womöglich existenzielle Folgen, die FDP musste um
den Einzug in die Bürgerschaft zittern. Und so oder so dürfte der Druck auf den
ohnehin schwer angeschlagen wirkenden Bundesvorsitzenden Christian Lindner
weiter steigen.
Keinen Deut besser steht es um die CDU: Es spricht Bände, dass das historisch
schlechte Ergebnis in Hamburg gar nicht mal ihr Hauptproblem ist. Vielmehr droht
die Frage "Wie weiter nach Erfurt?" die Partei endgültig aus den Angeln zu
heben. Die Bundespartei und der thüringische Landesverband finden einfach nicht
zueinander. Was ist noch Pragmatismus, was schon Prinzipienlosigkeit?
Generalsekretär Paul Ziemiak wirkt hilflos, auch die Vorhaltungen von Jens Spahn
und Friedrich Merz scheinen in Thüringen niemanden zu interessieren.
Führungslosigkeit in Reinkultur. Die CDU hat keinen Plan - weder für die urbanen
Räume wie Hamburg noch für den Osten. Und sie ist trotzdem drauf und dran, alle
Schleusen zu öffnen. Doch einen Sündenfall behebt man nicht, in dem man den
nächsten begeht.
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