07.02.2020 20:30 | Westfalen-Blatt | Presseschau
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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Thüringen
Bielefeld (ots) - Am Sonntag kommt der Orkan nach Nordrhein-Westfalen, über
Thüringen fegt er schon seit Tagen hinweg und hat mächtig Kleinholz
hinterlassen. Trümmer finden sich in der ganzen Republik, vor allem im
politischen Berlin. Der neue thüringische FDP-Ministerpräsident Thomas
Kemmerich ist noch da, aber irgendwie auch schon nicht mehr, CDU-Fraktionschef
Mike Mohring will spätestens im Mai weg sein, und die Parteivorsitzenden
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Christian Lindner (FDP) wandeln bedrohlich
nah am Abgrund entlang.
Die Ereignisse von Erfurt haben auf erschreckende Weise vor Augen geführt, was
fehlt, wenn sich das Bürgerliche verliert. Wenn sich so nur vermeintlich
altmodische Begriffe wie Anstand, Moral und Sitte in ein einziges großes Nichts
auflösen. Wenn alles, was nicht illegal ist, schon legitim sein soll. Dann
tritt ein Schaden ein, der nicht mit Krisentreffen und ein paar
wetterwendischen Statements behoben werden kann. Und auch nicht mit Rücktritten
und Neuwahlen.
CDU und FDP geben viel darauf, "bürgerliche Parteien" zu sein. Dabei ist der
Begriff des "Bürgerlichen" gar nicht leicht zu fassen. Funktioniert die
herabwürdigende Formulierung "Spießbürger" noch recht gut, so ist eine
schlüssige positive Definition schon weitaus schwieriger zu finden. Hinzu
kommt, dass in der Zuschreibung oft etwas Exklusives, Ausgrenzendes
mitschwingt. Wer sich bürgerlich nennt, muss aufpassen, nicht in den Verdacht
zu geraten, andere automatisch als nicht-bürgerlich abzuqualifizieren.
Den Wert des Bürgerlichen schmälert das keineswegs. Doch steht im Wort, wer
immer sich auf den Begriff beruft - wie es das WESTFALEN-BLATT ja selbst
tut. Und unser Staatswesen braucht den Citoyen, der in der Tradition und im
Geist der Aufklärung aktiv und eigenverantwortlich das Gemeinwesen
mitgestaltet und Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit kennt und sie
auch lebt.
Anstand, Moral und Sitte - mit diesen Werten ist in dieser Woche zu oft
gebrochen worden. Der 5. Februar 2020 markiert eine Zäsur in der Geschichte
unseres Landes, auf die man nicht stolz sein kann. Und plötzlich steht die
Selbstverständlichkeit zur Disposition, dass Demokraten nur mit Demokraten
gemeinsame Sache machen können. Gewiss, in den zurückliegenden 70 Jahren hat
unsere Republik schon so manche Krise überstanden. Nun allerdings braut sich
wieder gehörig etwas zusammen. Und im Sturm stehen wir alle. Das Bürgerliche
braucht dringend neue und entschlossene Fürsprecher - in Erfurt, in Berlin und
überall in unserem Land.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/66306/4514713
OTS: Westfalen-Blatt
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell
Thüringen fegt er schon seit Tagen hinweg und hat mächtig Kleinholz
hinterlassen. Trümmer finden sich in der ganzen Republik, vor allem im
politischen Berlin. Der neue thüringische FDP-Ministerpräsident Thomas
Kemmerich ist noch da, aber irgendwie auch schon nicht mehr, CDU-Fraktionschef
Mike Mohring will spätestens im Mai weg sein, und die Parteivorsitzenden
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Christian Lindner (FDP) wandeln bedrohlich
nah am Abgrund entlang.
Die Ereignisse von Erfurt haben auf erschreckende Weise vor Augen geführt, was
fehlt, wenn sich das Bürgerliche verliert. Wenn sich so nur vermeintlich
altmodische Begriffe wie Anstand, Moral und Sitte in ein einziges großes Nichts
auflösen. Wenn alles, was nicht illegal ist, schon legitim sein soll. Dann
tritt ein Schaden ein, der nicht mit Krisentreffen und ein paar
wetterwendischen Statements behoben werden kann. Und auch nicht mit Rücktritten
und Neuwahlen.
CDU und FDP geben viel darauf, "bürgerliche Parteien" zu sein. Dabei ist der
Begriff des "Bürgerlichen" gar nicht leicht zu fassen. Funktioniert die
herabwürdigende Formulierung "Spießbürger" noch recht gut, so ist eine
schlüssige positive Definition schon weitaus schwieriger zu finden. Hinzu
kommt, dass in der Zuschreibung oft etwas Exklusives, Ausgrenzendes
mitschwingt. Wer sich bürgerlich nennt, muss aufpassen, nicht in den Verdacht
zu geraten, andere automatisch als nicht-bürgerlich abzuqualifizieren.
Den Wert des Bürgerlichen schmälert das keineswegs. Doch steht im Wort, wer
immer sich auf den Begriff beruft - wie es das WESTFALEN-BLATT ja selbst
tut. Und unser Staatswesen braucht den Citoyen, der in der Tradition und im
Geist der Aufklärung aktiv und eigenverantwortlich das Gemeinwesen
mitgestaltet und Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit kennt und sie
auch lebt.
Anstand, Moral und Sitte - mit diesen Werten ist in dieser Woche zu oft
gebrochen worden. Der 5. Februar 2020 markiert eine Zäsur in der Geschichte
unseres Landes, auf die man nicht stolz sein kann. Und plötzlich steht die
Selbstverständlichkeit zur Disposition, dass Demokraten nur mit Demokraten
gemeinsame Sache machen können. Gewiss, in den zurückliegenden 70 Jahren hat
unsere Republik schon so manche Krise überstanden. Nun allerdings braut sich
wieder gehörig etwas zusammen. Und im Sturm stehen wir alle. Das Bürgerliche
braucht dringend neue und entschlossene Fürsprecher - in Erfurt, in Berlin und
überall in unserem Land.
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