30.05.2019 18:11 | Aachener Nachrichten | Presseschau
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Aachener Nachrichten: Kommentar: Der Konsens-Preisträger Von Christian Rein
Aachen (ots) - Der Karlspreis war nicht immer, aber doch immer
wieder eine kontroverse Veranstaltung. So sehr sich die Stadt Aachen
und das Karlspreisdirektorium darum bemühen, einen geeigneten
Menschen zu finden, der für seinen Einsatz um die gute Sache Europa
zu würdigen sei, so sehr hat mancher dieser Preisträger polarisiert.
Die Auszeichnung für Henry Kissinger 1987 führte aus Protest gar zur
Gründung des Aachener Friedenspreises. Die strittigsten
Karlspreis-Verleihungen waren allerdings meist nicht die
schlechtesten, denn Auseinandersetzung und Debatte sind, wenn sie mit
friedlichen Mitteln geführt werden, der Motor für Demokratie und
letztlich auch für die Entwicklung von Gesellschaften.
Gemessen daran herrschte bei der diesjährigen Verleihung des
Karlspreises deutlich weniger Dynamik; was durchaus am Preisträger
lag, ihm aber kaum anzulasten ist.
António Guterres ist ein Mann, den man sympathisch finden muss. Er
ist charmant und bescheiden im Auftreten, zugewandt im Gespräch. Ein
"Menschenfänger" könnte man sagen. Obendrein vertritt der
UN-Generalsekretär Positionen, die man als aufgeklärter Europäer nur
unterstützen kann: Er benennt mit dem Kampf gegen den Klimawandel und
einer vernünftigen Gestaltung der fortschreitenden Digitalisierung
nach den Spielregeln der Demokratie die großen Herausforderungen
unserer Zeit. Er geißelt den restriktiven Umgang mit Flüchtlingen und
Migranten als Schande für die europäische Idee. Er würdigt die Jugend
und deren Engagement für einen lebenswerten Planeten und appelliert
an die Verantwortung der Älteren, sich für Erhalt und Schutz der Erde
einzusetzen. Er ruft auf zu Solidarität mit den Schwachen und
Bedürftigen. Und er sagt: Die Weltgemeinschaft kann diese Probleme
nur gemeinsam lösen.
All das können viele Menschen aus einem sehr breiten politischen
Spektrum unterschreiben. Eigentlich alle außer den Nationalisten,
Fremdenfeinden und Klimaskeptikern vom rechten Rand. António Guterres
ist einer, auf den sich alle einigen können. Er ist ein
Konsens-Preisträger.
In Zeiten wie diesen mit ihren drängenden Fragen geht so vom
Karlspreis allerdings kein Signal des Aufbruchs aus. Guterres ist so
sehr Konsens, dass der Karlspreis auffällig viel Unaufmerksamkeit
erfahren hat. Im vorigen Jahr, als Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron ausgezeichnet wurde, waren 200 Journalisten akkreditiert. In
diesem Jahr waren es 60. Rund um den Markt und auf dem Katschhof
waren die Zuschauerreihen sehr gelichtet. Es war still bis auf
gelegentlichen freundlichen Applaus. Guterres bringt keine Kritiker
auf die Straßen. Er mobilisiert aber auch keine Befürworter.
Das Hauptproblem: Es fehlt eine klare Botschaft. Und es fehlen
Lösungen. Der von Guterres propagierte Multilateralismus ist keine
Lösung. Er ist der Weg zu einer Lösung. Und der ist schon steinig,
denn nicht zu Unrecht weist Guterres selbst auf die zu überwindenden
Widerstände hin. Welchen Wert haben globale Klimaabkommen, wenn
zentrale Akteure wie die USA einfach aussteigen? Und für welche Werte
steht ein Europa, das jeden Tag aufs Neue hinnimmt, dass hunderte
Menschen im Mittelmeer ertrinken oder in Flüchtlingslagern im Süden
ein elendes Dasein fristen, weil sich die Gemeinschaft nicht auf
einen gemeinsamen Umgang verständigen kann?
Das "sich nicht einigen können" ist der Kern vieler Probleme - in
Europa und weltweit. Die Welt ist polarisiert, die Fronten sind
verhärtet. Eine Antwort auf diese Herausforderung wäre wichtig
gewesen. Dem Appell "Wir müssen uns zusammenraufen" kann man kaum
widersprechen. Er elektrisiert bloß niemanden.
Bei aller Kritik: Dass kein Vertreter der Bundesregierung an der
Preisverleihung teilgenommen hat, ist ein schon ein diplomatischer
Affront. Der höchste Vertreter der Vereinten Nationen wird
ausgezeichnet, Spaniens Staatsoberhaupt, König Felipe VI., hält die
Laudatio, der Ministerpräsident von Portugal und der
EU-Kommissionspräsident sind zugegen, und Berlin schickt noch nicht
einmal einen Minister. Vielleicht schätzt man in der Bundesregierung
den Karlspreis, dessen Trägerin im Übrigen auch Kanzlerin Angela
Merkel ist, inzwischen nicht mehr so sehr. Der Anstand gegenüber
hochrangigen Staatsgästen - Partnern - aus befreundeten Staaten und
Institutionen hätte eine Anwesenheit aber zwingend erforderlich
gemacht.
Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-388
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de
Original-Content von: Aachener Nachrichten, übermittelt durch news aktuell
wieder eine kontroverse Veranstaltung. So sehr sich die Stadt Aachen
und das Karlspreisdirektorium darum bemühen, einen geeigneten
Menschen zu finden, der für seinen Einsatz um die gute Sache Europa
zu würdigen sei, so sehr hat mancher dieser Preisträger polarisiert.
Die Auszeichnung für Henry Kissinger 1987 führte aus Protest gar zur
Gründung des Aachener Friedenspreises. Die strittigsten
Karlspreis-Verleihungen waren allerdings meist nicht die
schlechtesten, denn Auseinandersetzung und Debatte sind, wenn sie mit
friedlichen Mitteln geführt werden, der Motor für Demokratie und
letztlich auch für die Entwicklung von Gesellschaften.
Gemessen daran herrschte bei der diesjährigen Verleihung des
Karlspreises deutlich weniger Dynamik; was durchaus am Preisträger
lag, ihm aber kaum anzulasten ist.
António Guterres ist ein Mann, den man sympathisch finden muss. Er
ist charmant und bescheiden im Auftreten, zugewandt im Gespräch. Ein
"Menschenfänger" könnte man sagen. Obendrein vertritt der
UN-Generalsekretär Positionen, die man als aufgeklärter Europäer nur
unterstützen kann: Er benennt mit dem Kampf gegen den Klimawandel und
einer vernünftigen Gestaltung der fortschreitenden Digitalisierung
nach den Spielregeln der Demokratie die großen Herausforderungen
unserer Zeit. Er geißelt den restriktiven Umgang mit Flüchtlingen und
Migranten als Schande für die europäische Idee. Er würdigt die Jugend
und deren Engagement für einen lebenswerten Planeten und appelliert
an die Verantwortung der Älteren, sich für Erhalt und Schutz der Erde
einzusetzen. Er ruft auf zu Solidarität mit den Schwachen und
Bedürftigen. Und er sagt: Die Weltgemeinschaft kann diese Probleme
nur gemeinsam lösen.
All das können viele Menschen aus einem sehr breiten politischen
Spektrum unterschreiben. Eigentlich alle außer den Nationalisten,
Fremdenfeinden und Klimaskeptikern vom rechten Rand. António Guterres
ist einer, auf den sich alle einigen können. Er ist ein
Konsens-Preisträger.
In Zeiten wie diesen mit ihren drängenden Fragen geht so vom
Karlspreis allerdings kein Signal des Aufbruchs aus. Guterres ist so
sehr Konsens, dass der Karlspreis auffällig viel Unaufmerksamkeit
erfahren hat. Im vorigen Jahr, als Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron ausgezeichnet wurde, waren 200 Journalisten akkreditiert. In
diesem Jahr waren es 60. Rund um den Markt und auf dem Katschhof
waren die Zuschauerreihen sehr gelichtet. Es war still bis auf
gelegentlichen freundlichen Applaus. Guterres bringt keine Kritiker
auf die Straßen. Er mobilisiert aber auch keine Befürworter.
Das Hauptproblem: Es fehlt eine klare Botschaft. Und es fehlen
Lösungen. Der von Guterres propagierte Multilateralismus ist keine
Lösung. Er ist der Weg zu einer Lösung. Und der ist schon steinig,
denn nicht zu Unrecht weist Guterres selbst auf die zu überwindenden
Widerstände hin. Welchen Wert haben globale Klimaabkommen, wenn
zentrale Akteure wie die USA einfach aussteigen? Und für welche Werte
steht ein Europa, das jeden Tag aufs Neue hinnimmt, dass hunderte
Menschen im Mittelmeer ertrinken oder in Flüchtlingslagern im Süden
ein elendes Dasein fristen, weil sich die Gemeinschaft nicht auf
einen gemeinsamen Umgang verständigen kann?
Das "sich nicht einigen können" ist der Kern vieler Probleme - in
Europa und weltweit. Die Welt ist polarisiert, die Fronten sind
verhärtet. Eine Antwort auf diese Herausforderung wäre wichtig
gewesen. Dem Appell "Wir müssen uns zusammenraufen" kann man kaum
widersprechen. Er elektrisiert bloß niemanden.
Bei aller Kritik: Dass kein Vertreter der Bundesregierung an der
Preisverleihung teilgenommen hat, ist ein schon ein diplomatischer
Affront. Der höchste Vertreter der Vereinten Nationen wird
ausgezeichnet, Spaniens Staatsoberhaupt, König Felipe VI., hält die
Laudatio, der Ministerpräsident von Portugal und der
EU-Kommissionspräsident sind zugegen, und Berlin schickt noch nicht
einmal einen Minister. Vielleicht schätzt man in der Bundesregierung
den Karlspreis, dessen Trägerin im Übrigen auch Kanzlerin Angela
Merkel ist, inzwischen nicht mehr so sehr. Der Anstand gegenüber
hochrangigen Staatsgästen - Partnern - aus befreundeten Staaten und
Institutionen hätte eine Anwesenheit aber zwingend erforderlich
gemacht.
Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
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