22.01.2024 08:56 | SOS Balkanroute | Panorama
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Mahnmal für Opfer der Festung Europa: 41 neue Grabsteine und erstes Denkmal für Balkanrouten-Tote enthüllt
BIJELJINA/WIEN (ots) -
Jeder einzelne Grabstein steht für die zerbrochenen Träume an Europas Außengrenzen.
Das erste Denkmal für verstorbene Geflüchtete auf der Balkanroute, eine gepflanzte Baumreihe zu deren Ehren und 41 neue Gräber auf zwei neurenovierten Friedhöfen (https://go.ots.at/lW7lqNbE) wurden am Wochenende von der österreichischen Organisation SOS Balkanroute gemeinsam mit lokalen bosnischen Aktivist:innen, der Bergrettung, dem Zivilschutz, dem bosnischen Menschenrechtsministerium und im Beisein zahlreicher NGOs und Institutionen gemeinsam enthüllt.
Bei den Gräbern in den bosnischen Grenzstädten Bijeljina (19 Begrabene) und Zvornik (22 Begrabene) handelt sich um Schutzsuchende, die im Grenzfluss Drina zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien ertrunken sind. Paradoxerweise hatten diese überhaupt das Glück, dass deren Überreste aus dem Fluss geborgen wurden, was in den seltensten Fällen passiert. „Die Menschen hat nicht der Fluss Drina getötet, sondern das Grenzregime der EU, die Pushbacks in die Flüsse und die Nicht-Existenz legaler Fluchtwege. Unsere Aktivitäten betreffen ja nur die vier Grenzstädte Bijeljina, Bratunac, Janja und Zvornik. Alleine hier sprechen wir von 60 evidentierten Toten im Zeitraum von 2018 bis 2024, die Dunkelzahl ist natürlich viel höher“, sagt Nihad Suljić, Initiator und Aktivist der sich seit Jahren mit Vermissten und Toten im bosnisch-serbischen Grenzgebiet befasst.
„Alle Toten jünger als 30 Jahre“
Die Schutzsuchenden wurden unter „N.N“ (No Name) begraben, doch jeder einzelne Grabstein steht für ein Leben, dessen Träume nach Frieden und Sicherheit vor den EU-Außengrenzen zerbrachen. „Alle Personen waren im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und einige sogar jünger, darunter auch Kinder. Mir hat das Ganze auch nach den Obduktionen keine Ruhe gelassen, so dass ich beschlossen habe, alle DNA Proben lebenslang aufzuheben, auch wenn ich das gesetzlich nicht müsste. Ich fühle mich aber gegenüber dem hyppokratischen Eid und meinem christlichen Glauben verantwortlich. Meine Arbeit ist zwar offiziell getan, aber eigentlich nicht beendet, bis Angehörige ihre Liebsten identifizieren. Früher hatten wir im Durchschnitt zwei Fälle von Toten im Fluss jährlich. Seit 2018 steigt diese Zahl stetig“, sagte der Pathologe Dr. Vidak Simić anlässlich der Kommemoration, der auch die lokale Bergrettung beiwohnte, die die Leichen aus dem Fluss holt.
"Klarheit für Angehörige schaffen"
Bei der anschließenden Konferenz mit Akteur:innen aus Bosnien, Kroatien und Serbien unter dem Titel „Gestoppte Träume an Europas Außengrenzen“ war man sich einig, dass die Staaten Verantwortung übernehmen müssen und in Zukunft nicht nur ein menschenwürdiges System der Bestattung, sondern auch eine DNA-Datenbank schaffen sollten, um für Angehörige endlich Klarheit zu schaffen. „Dieses Projekt schafft endlich menschenwürdige Grabstätten. Ich wünsche Euch, dass die jungen Verstorbenen nie vergessen werden“, wandte sich Österreichs Justizministerin Alma Zadić per Videobotschaft (https://youtu.be/81bJPf4yjh8) an die Teilnehmer:innen.
Wie viele Menschen letztendlich auf der Balkanroute verstorben sind, wird wohl nie in Erfahrung zu bringen sein. Die einzige aktivistische Forschungsplattform 4D (https://4dtrail.wordpress.com/database/) spricht von 346 bestätigten toten Geflüchteteten zwischen 2014 und Dezember 2023 alleine in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens.
Grüne: „Schande für Europa“
Vor der Einweihung der neuen Friedhöfe für Geflüchtete waren die Gräber teils zugewachsen, mit umgefallenen Holzschildern und meistens irgendwo im Abseits oder am Rande von lokalen Friedhöfen begraben. „Vor nicht mal einem Monat erinnerten viele EU-Länder an das 75 jährige Bestehen der Menschenrechte und wie stolz man auf diese Errungenschaft sei, aber hier an der Außengrenze werden diese Menschenrechte oft verletzt. Diese scheinen an den Grenzen der EU nicht zu gelten. Das ist eines Europas unwürdig - diese Gräber sind eine Schande für Europa“, sagte die grüne Nationalratsabgeordnete Bedrana Ribo, die den Gedenkfeierlichkeiten beiwohnte und eine Rede hielt.
Zahlreiche Gäste aus Österreich, ZDF dreht Doku
Den Gedenkfeierlichkeiten wohnten auch zahlreiche Gäste aus Österreich bei, unter anderem die Omas gegen Rechts, Vertreter:innen der Diakonie, die Influencerin Alexandra Stanić sowie das Pfarrnetzwerk Asyl. Medial war das ARD Studio Wien sowie das ZDF Studio Brüssel mit Teams vor Ort, die aktuell eine Dokumentation drehen, die sich auch mit den Toten auf der Balkanroute auseinandersetzt. Dabei begleiten sie den jungen Geflüchteten Nijab, der seinen Bruder im Fluss Save verloren hat.
„Es ist wichtig, dass die Botschaft wirklich auch dort ankommt, wo auch die Verantwortlichen für Pushbacks, Grenzgewalt und dieses tödliche Grenzregime sitzen. Und wir können und sollten als Gesellschaft von den Menschen vor Ort, die im Gegensatz zu unseren Staaten Verantwortung übernehmen, viel lernen“, sagt Petar Rosandić, Obmann der SOS Balkanroute, abschließend.
Alle Bilder zum kostenfreien Download (https://go.ots.at/mDYkRRzX) unter Copyright-Angabe: Murtaza Elham/SOS Balkanroute.
Pressekontakt:
Petar Rosandić, +436607390819 (derzeit nur Whatsapp)
pero@sos-balkanroute.at
Original-Content von: SOS Balkanroute, übermittelt durch news aktuell
Jeder einzelne Grabstein steht für die zerbrochenen Träume an Europas Außengrenzen.
Das erste Denkmal für verstorbene Geflüchtete auf der Balkanroute, eine gepflanzte Baumreihe zu deren Ehren und 41 neue Gräber auf zwei neurenovierten Friedhöfen (https://go.ots.at/lW7lqNbE) wurden am Wochenende von der österreichischen Organisation SOS Balkanroute gemeinsam mit lokalen bosnischen Aktivist:innen, der Bergrettung, dem Zivilschutz, dem bosnischen Menschenrechtsministerium und im Beisein zahlreicher NGOs und Institutionen gemeinsam enthüllt.
Bei den Gräbern in den bosnischen Grenzstädten Bijeljina (19 Begrabene) und Zvornik (22 Begrabene) handelt sich um Schutzsuchende, die im Grenzfluss Drina zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien ertrunken sind. Paradoxerweise hatten diese überhaupt das Glück, dass deren Überreste aus dem Fluss geborgen wurden, was in den seltensten Fällen passiert. „Die Menschen hat nicht der Fluss Drina getötet, sondern das Grenzregime der EU, die Pushbacks in die Flüsse und die Nicht-Existenz legaler Fluchtwege. Unsere Aktivitäten betreffen ja nur die vier Grenzstädte Bijeljina, Bratunac, Janja und Zvornik. Alleine hier sprechen wir von 60 evidentierten Toten im Zeitraum von 2018 bis 2024, die Dunkelzahl ist natürlich viel höher“, sagt Nihad Suljić, Initiator und Aktivist der sich seit Jahren mit Vermissten und Toten im bosnisch-serbischen Grenzgebiet befasst.
„Alle Toten jünger als 30 Jahre“
Die Schutzsuchenden wurden unter „N.N“ (No Name) begraben, doch jeder einzelne Grabstein steht für ein Leben, dessen Träume nach Frieden und Sicherheit vor den EU-Außengrenzen zerbrachen. „Alle Personen waren im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und einige sogar jünger, darunter auch Kinder. Mir hat das Ganze auch nach den Obduktionen keine Ruhe gelassen, so dass ich beschlossen habe, alle DNA Proben lebenslang aufzuheben, auch wenn ich das gesetzlich nicht müsste. Ich fühle mich aber gegenüber dem hyppokratischen Eid und meinem christlichen Glauben verantwortlich. Meine Arbeit ist zwar offiziell getan, aber eigentlich nicht beendet, bis Angehörige ihre Liebsten identifizieren. Früher hatten wir im Durchschnitt zwei Fälle von Toten im Fluss jährlich. Seit 2018 steigt diese Zahl stetig“, sagte der Pathologe Dr. Vidak Simić anlässlich der Kommemoration, der auch die lokale Bergrettung beiwohnte, die die Leichen aus dem Fluss holt.
"Klarheit für Angehörige schaffen"
Bei der anschließenden Konferenz mit Akteur:innen aus Bosnien, Kroatien und Serbien unter dem Titel „Gestoppte Träume an Europas Außengrenzen“ war man sich einig, dass die Staaten Verantwortung übernehmen müssen und in Zukunft nicht nur ein menschenwürdiges System der Bestattung, sondern auch eine DNA-Datenbank schaffen sollten, um für Angehörige endlich Klarheit zu schaffen. „Dieses Projekt schafft endlich menschenwürdige Grabstätten. Ich wünsche Euch, dass die jungen Verstorbenen nie vergessen werden“, wandte sich Österreichs Justizministerin Alma Zadić per Videobotschaft (https://youtu.be/81bJPf4yjh8) an die Teilnehmer:innen.
Wie viele Menschen letztendlich auf der Balkanroute verstorben sind, wird wohl nie in Erfahrung zu bringen sein. Die einzige aktivistische Forschungsplattform 4D (https://4dtrail.wordpress.com/database/) spricht von 346 bestätigten toten Geflüchteteten zwischen 2014 und Dezember 2023 alleine in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens.
Grüne: „Schande für Europa“
Vor der Einweihung der neuen Friedhöfe für Geflüchtete waren die Gräber teils zugewachsen, mit umgefallenen Holzschildern und meistens irgendwo im Abseits oder am Rande von lokalen Friedhöfen begraben. „Vor nicht mal einem Monat erinnerten viele EU-Länder an das 75 jährige Bestehen der Menschenrechte und wie stolz man auf diese Errungenschaft sei, aber hier an der Außengrenze werden diese Menschenrechte oft verletzt. Diese scheinen an den Grenzen der EU nicht zu gelten. Das ist eines Europas unwürdig - diese Gräber sind eine Schande für Europa“, sagte die grüne Nationalratsabgeordnete Bedrana Ribo, die den Gedenkfeierlichkeiten beiwohnte und eine Rede hielt.
Zahlreiche Gäste aus Österreich, ZDF dreht Doku
Den Gedenkfeierlichkeiten wohnten auch zahlreiche Gäste aus Österreich bei, unter anderem die Omas gegen Rechts, Vertreter:innen der Diakonie, die Influencerin Alexandra Stanić sowie das Pfarrnetzwerk Asyl. Medial war das ARD Studio Wien sowie das ZDF Studio Brüssel mit Teams vor Ort, die aktuell eine Dokumentation drehen, die sich auch mit den Toten auf der Balkanroute auseinandersetzt. Dabei begleiten sie den jungen Geflüchteten Nijab, der seinen Bruder im Fluss Save verloren hat.
„Es ist wichtig, dass die Botschaft wirklich auch dort ankommt, wo auch die Verantwortlichen für Pushbacks, Grenzgewalt und dieses tödliche Grenzregime sitzen. Und wir können und sollten als Gesellschaft von den Menschen vor Ort, die im Gegensatz zu unseren Staaten Verantwortung übernehmen, viel lernen“, sagt Petar Rosandić, Obmann der SOS Balkanroute, abschließend.
Alle Bilder zum kostenfreien Download (https://go.ots.at/mDYkRRzX) unter Copyright-Angabe: Murtaza Elham/SOS Balkanroute.
Pressekontakt:
Petar Rosandić, +436607390819 (derzeit nur Whatsapp)
pero@sos-balkanroute.at
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