08.02.2019 20:30 | Börsen-Zeitung | Presseschau
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Börsen-Zeitung: Trübe Stimmung, Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots) - An den Finanzmärkten trübt sich die Stimmung
immer stärker ein. Mehr und mehr Akteure stellen sich darauf ein,
dass die Konjunkturentwicklung in den kommenden Monaten enttäuschend
sein wird. Dafür gibt es klare Signale von den Märkten und sehr
deutliche Einschätzungen von offizieller Seite.
Da ist zunächst einmal die Europäische Zentralbank (EZB). Bis
gegen Ende 2018 hatten die meisten Marktakteure - so hatten es ihnen
die europäischen Währungshüter in ihren Statements auch immer wieder
nahegelegt - damit gerechnet, dass die EZB die Leitzinsen über den
Sommer dieses Jahres hinaus unangetastet lassen wird. Eine sehr
dehnbare Bezeichnung dafür, wie es in Sachen Zinsen weitergehen wird.
Marktteilnehmer waren bei dieser Formulierung davon ausgegangen, dass
es ab Herbst dann so weit sein würde und die EZB zum ersten
Zinsschritt seit der Krise ansetzt. Die Bezeichnung "über den Sommer
2019" hat weiter Gültigkeit. EZB-Präsident Mario Draghi dämpfte im
Januar die Erwartungen der Märkte an einen Zinsschritt noch in diesem
Jahr. Die EZB sieht die Wachstumsrisiken der Eurozone nicht mehr wie
bislang als ausgeglichen an, sondern stuft sie als abwärtsgerichtet
ein. Das lässt aufhorchen.
Aber nicht nur in Europa werden die Notenbanker vorsichtiger,
sondern auch in den USA. Nur eine Woche später signalisierte die
US-Notenbank das Ende der Zinserhöhungen. Die Geldpolitik stuft
US-Notenbankchef Jerome Powell als neutral ein. Das Wachstum sei
nicht mehr stark, sondern werde "nur" noch als solide angesehen.
Klare Signale gab es von der US-Notenbank noch in anderer
Hinsicht. Die Fed ist dabei, die Bilanz zu verkürzen. Das geschieht,
indem Reinvestitionen von Bondrückzahlungen verringert werden. Aber
genau das will sie nun von der konjunkturellen Entwicklung abhängig
machen. Das kann man auch ein wenig schärfer interpretieren: Bricht
die Konjunktur in den USA ein, wird die Fed wieder stärker aufs
Gaspedal bei den Bondkäufen treten, um der Wirtschaft unter die Arme
zu greifen. Zinssenkungen werden dann begleitend aufgenommen. Offen
ist, ob die Fed beim aktuellen Leitzinsniveau von 2,25 Prozent bis
2,5 Prozent genügend Pulver zurückgelegt hat.
Die nächste klare Ansage kam nun in der abgelaufenen Woche von der
EU-Kommission. Sie rechnet für die Eurozone in diesem Jahr nur noch
mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,3 Prozent
nach zuvor veranschlagten 1,9 Prozent. Das ist schon eine deutlichere
Rücknahme der Prognose. Für 2020 sollen es dann noch 1,6 Prozent nach
bisher angepeilten 1,7 Prozent sein.
Denn die Märkte stellen sich immer mehr auf eine Rezession in den
USA ein, nach gut zehn Jahren wirtschaftlicher Expansion. Der
Handelskonflikt mit China zeigt hier seine Wirkung. Ein weiter
Unsicherheitsfaktor ist der Brexit, dessen Folgen für die Wirtschaft
- wie auch immer der EU-Ausstieg der Briten ausgestaltet sein wird -
völlig offen sind.
An den Märkten wird die konjunkturelle Perspektive seit Wochen mit
einer Flucht in Sicherheit quittiert. Und genau diese zeigt deutliche
Spuren bei den Renditen der Bundesanleihen. Am kurzen Ende liegen die
Sätze ohnehin seit Jahren im negativen Bereich. Bis vor drei Monaten
galt das bis hin zu Laufzeiten der Bundeswertpapiere von sechs
Jahren. Nun ist die Kurve in den vergangenen Wochen aber immer mehr
ins Minus abgerutscht. Die Bundestitel mit neun Jahren Restlaufzeit
oszillierten am Mittwoch und Donnerstag noch um die Nulllinie, am
Freitag tauchten sie dann deutlich ins Minus ab.
Die zehnjährige Bundrendite ist auch nicht mehr weit von der
Nulllinie entfernt. Am Freitagabend lag der Satz bei 0,09 Prozent.
Zur Erinnerung: Am 6. Juli 2016 wurde im zehnjährigen
Laufzeitenbereich der Bundesanleihen mit minus 0,204 Prozent das
bisherige historische Tief markiert. Wohlgemerkt, dies geschah im
Gefolge des Runs auf Staatsanleihen aufgrund des Brexit-Vote Ende
Juni 2016. Von diesem historischen Tief ist der Markt also nur noch
rund 30 Basispunkte entfernt, und eine kräftige wirtschaftliche
Eintrübung, zu der es ausgehend von den USA kommen wird, ist noch gar
nicht eingetreten.
Die Rezession in den USA wird vom US-Bondmarkt klar angezeigt. Die
Kurve ist im Laufzeitenbereich von zwei bis fünf Jahren invertiert.
Und eine Kurveninversion ist in der Vergangenheit ein sehr
verlässliches Signal für eine spätere Rezession gewesen. Davon gehen
viele Marktteilnehmer auch dieses Mal aus. Man sollte sich darauf
einstellen, dass die risikolosen Renditen angesichts der
konjunkturellen Perspektiven weiter abrutschen und in den USA die
Kurve weiter invertiert. Alles andere ist reines Wunschdenken.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell
immer stärker ein. Mehr und mehr Akteure stellen sich darauf ein,
dass die Konjunkturentwicklung in den kommenden Monaten enttäuschend
sein wird. Dafür gibt es klare Signale von den Märkten und sehr
deutliche Einschätzungen von offizieller Seite.
Da ist zunächst einmal die Europäische Zentralbank (EZB). Bis
gegen Ende 2018 hatten die meisten Marktakteure - so hatten es ihnen
die europäischen Währungshüter in ihren Statements auch immer wieder
nahegelegt - damit gerechnet, dass die EZB die Leitzinsen über den
Sommer dieses Jahres hinaus unangetastet lassen wird. Eine sehr
dehnbare Bezeichnung dafür, wie es in Sachen Zinsen weitergehen wird.
Marktteilnehmer waren bei dieser Formulierung davon ausgegangen, dass
es ab Herbst dann so weit sein würde und die EZB zum ersten
Zinsschritt seit der Krise ansetzt. Die Bezeichnung "über den Sommer
2019" hat weiter Gültigkeit. EZB-Präsident Mario Draghi dämpfte im
Januar die Erwartungen der Märkte an einen Zinsschritt noch in diesem
Jahr. Die EZB sieht die Wachstumsrisiken der Eurozone nicht mehr wie
bislang als ausgeglichen an, sondern stuft sie als abwärtsgerichtet
ein. Das lässt aufhorchen.
Aber nicht nur in Europa werden die Notenbanker vorsichtiger,
sondern auch in den USA. Nur eine Woche später signalisierte die
US-Notenbank das Ende der Zinserhöhungen. Die Geldpolitik stuft
US-Notenbankchef Jerome Powell als neutral ein. Das Wachstum sei
nicht mehr stark, sondern werde "nur" noch als solide angesehen.
Klare Signale gab es von der US-Notenbank noch in anderer
Hinsicht. Die Fed ist dabei, die Bilanz zu verkürzen. Das geschieht,
indem Reinvestitionen von Bondrückzahlungen verringert werden. Aber
genau das will sie nun von der konjunkturellen Entwicklung abhängig
machen. Das kann man auch ein wenig schärfer interpretieren: Bricht
die Konjunktur in den USA ein, wird die Fed wieder stärker aufs
Gaspedal bei den Bondkäufen treten, um der Wirtschaft unter die Arme
zu greifen. Zinssenkungen werden dann begleitend aufgenommen. Offen
ist, ob die Fed beim aktuellen Leitzinsniveau von 2,25 Prozent bis
2,5 Prozent genügend Pulver zurückgelegt hat.
Die nächste klare Ansage kam nun in der abgelaufenen Woche von der
EU-Kommission. Sie rechnet für die Eurozone in diesem Jahr nur noch
mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,3 Prozent
nach zuvor veranschlagten 1,9 Prozent. Das ist schon eine deutlichere
Rücknahme der Prognose. Für 2020 sollen es dann noch 1,6 Prozent nach
bisher angepeilten 1,7 Prozent sein.
Denn die Märkte stellen sich immer mehr auf eine Rezession in den
USA ein, nach gut zehn Jahren wirtschaftlicher Expansion. Der
Handelskonflikt mit China zeigt hier seine Wirkung. Ein weiter
Unsicherheitsfaktor ist der Brexit, dessen Folgen für die Wirtschaft
- wie auch immer der EU-Ausstieg der Briten ausgestaltet sein wird -
völlig offen sind.
An den Märkten wird die konjunkturelle Perspektive seit Wochen mit
einer Flucht in Sicherheit quittiert. Und genau diese zeigt deutliche
Spuren bei den Renditen der Bundesanleihen. Am kurzen Ende liegen die
Sätze ohnehin seit Jahren im negativen Bereich. Bis vor drei Monaten
galt das bis hin zu Laufzeiten der Bundeswertpapiere von sechs
Jahren. Nun ist die Kurve in den vergangenen Wochen aber immer mehr
ins Minus abgerutscht. Die Bundestitel mit neun Jahren Restlaufzeit
oszillierten am Mittwoch und Donnerstag noch um die Nulllinie, am
Freitag tauchten sie dann deutlich ins Minus ab.
Die zehnjährige Bundrendite ist auch nicht mehr weit von der
Nulllinie entfernt. Am Freitagabend lag der Satz bei 0,09 Prozent.
Zur Erinnerung: Am 6. Juli 2016 wurde im zehnjährigen
Laufzeitenbereich der Bundesanleihen mit minus 0,204 Prozent das
bisherige historische Tief markiert. Wohlgemerkt, dies geschah im
Gefolge des Runs auf Staatsanleihen aufgrund des Brexit-Vote Ende
Juni 2016. Von diesem historischen Tief ist der Markt also nur noch
rund 30 Basispunkte entfernt, und eine kräftige wirtschaftliche
Eintrübung, zu der es ausgehend von den USA kommen wird, ist noch gar
nicht eingetreten.
Die Rezession in den USA wird vom US-Bondmarkt klar angezeigt. Die
Kurve ist im Laufzeitenbereich von zwei bis fünf Jahren invertiert.
Und eine Kurveninversion ist in der Vergangenheit ein sehr
verlässliches Signal für eine spätere Rezession gewesen. Davon gehen
viele Marktteilnehmer auch dieses Mal aus. Man sollte sich darauf
einstellen, dass die risikolosen Renditen angesichts der
konjunkturellen Perspektiven weiter abrutschen und in den USA die
Kurve weiter invertiert. Alles andere ist reines Wunschdenken.
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