26.04.2023 05:00 | Deutschlandradio | Medien / Kultur
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Corona-Fördermittel für rechtsextreme Buchprojekte / Exklusive Recherche zum Hilfspaket "Neustart Kultur"
Berlin (ots) -
Die Bundesregierung hat über das Programm "Neustart Kultur" unter anderem rechtsextreme Buchprojekte bezuschusst. Das zeigen Recherchen von Deutschlandfunk Kultur, die das größte Kulturförderprogramm der deutschen Geschichte detailliert für den Bereich Literatur analysiert haben. Die Corona-Hilfen für Verlage wurden vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Auftrag der Kulturstaatsministerin verteilt.
Bei der Vergabe der Fördermittel hat der Börsenverein darauf verzichtet, die beantragten Buchprojekte der Verlage inhaltlich zu kontrollieren. Eine entsprechende Überprüfung war in den Förderkriterien der Kulturstaatsministerin nicht vorgesehen. Der Börsenverein sollte sich stattdessen auf die schriftliche Versicherung der Verlage verlassen, die Förderkriterien einzuhalten und keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Bücher zu drucken. Mehr als 90 Prozent der beantragten Projekte wurden bewilligt. Die Recherche von Deutschlandfunk Kultur ergab, dass dabei Buchprojekte gefördert wurden, die im Nachhinein vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurden oder aus einschlägig bekannten Verlagen der rechten Szene stammen.
Bezuschusst wurde beispielsweise das Buch eines Politologen, das vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "in Teilen extremistisch" eingestuft wird. Der Politologe, der an der Hochschule des Bundes unterrichtete, verlor deswegen den sogenannten Sicherheitsbescheid des Bundesnachrichtendienstes. Seine Lehrtätigkeit musste er aufgeben.
Gelder erhielt auch der Forsite Verlag für den Titel "Herman Wirth. Leben - Werk - Wirkung". Er behandelte einen völkischen Esoteriker, der in der NS-Zeit zusammen mit Heinrich Himmler die sogenannte "Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe" gründete. Verantwortlicher im Forsite-Verlag ist Dennis K. Er ist Herausgeber der Zeitschrift "Reconquista" und hat für das Magazin "N. S. Heute" geschrieben. Beide Publikationen werden vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz seit Jahren als rechtsextrem eingestuft.
Das Recherche-Team konnte überdies feststellen, dass einige Verlage für ihre Buchprojekte Geld bekamen, obwohl sie gegen die Förderkriterien verstießen, welche die Kulturstaatsministerin aufgestellt hatte.
Das Corona-Hilfspaket "Neustart Kultur" startete im Sommer 2020 und läuft zum 30. Juni 2023 aus; es umfasst insgesamt etwa zwei Milliarden Euro. Rund 94 Millionen Euro davon flossen in den Bereich Literatur, wie die Erhebungen von Deutschlandfunk Kultur erstmals zeigen. Unterstützt wurden damit Verlage, Buchhandlungen, Autorinnen, Übersetzer sowie Lesebühnen und Literaturhäuser. Der Großteil der Maßnahmen, etwa die Verteilung der Gelder über die VG Wort und über den Deutschen Übersetzerfonds, hat sich dabei als passgenau und hilfreich für die Zielgruppen erwiesen. So lautet ein weiteres Ergebnis der Recherche, die mehr als 20 Förderprogramme und Programmmodule aus dem Bereich Literatur analysiert hat.
Unterstützt wurden auch die beiden großen Buchmessen: Die Frankfurter Buchmesse erhielt für die Jahre 2020 bis 2022 insgesamt 12,5 Millionen Euro an Neustart Kultur-Fördermitteln. Die Leipziger Buchmesse, die am 27. April beginnt, wird in diesem Jahr mit drei Millionen Euro unterstützt. Auch die letztjährige Leipziger Buchmesse erhielt Gelder in Höhe von zwei Millionen Euro - obwohl die Messe kurzfristig abgesagt wurde und nicht stattfand.
Die Recherche mit umfangreichem Datenmaterial ist unter deutschlandfunkkultur.de/kulturmilliarde abrufbar.
Pressekontakt:
Xenia Sircar
Deutschlandradio
xenia.sircar@deutschlandradio.de
Tel. 030 8503 6164
Original-Content von: Deutschlandradio, übermittelt durch news aktuell
Die Bundesregierung hat über das Programm "Neustart Kultur" unter anderem rechtsextreme Buchprojekte bezuschusst. Das zeigen Recherchen von Deutschlandfunk Kultur, die das größte Kulturförderprogramm der deutschen Geschichte detailliert für den Bereich Literatur analysiert haben. Die Corona-Hilfen für Verlage wurden vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Auftrag der Kulturstaatsministerin verteilt.
Bei der Vergabe der Fördermittel hat der Börsenverein darauf verzichtet, die beantragten Buchprojekte der Verlage inhaltlich zu kontrollieren. Eine entsprechende Überprüfung war in den Förderkriterien der Kulturstaatsministerin nicht vorgesehen. Der Börsenverein sollte sich stattdessen auf die schriftliche Versicherung der Verlage verlassen, die Förderkriterien einzuhalten und keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Bücher zu drucken. Mehr als 90 Prozent der beantragten Projekte wurden bewilligt. Die Recherche von Deutschlandfunk Kultur ergab, dass dabei Buchprojekte gefördert wurden, die im Nachhinein vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurden oder aus einschlägig bekannten Verlagen der rechten Szene stammen.
Bezuschusst wurde beispielsweise das Buch eines Politologen, das vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "in Teilen extremistisch" eingestuft wird. Der Politologe, der an der Hochschule des Bundes unterrichtete, verlor deswegen den sogenannten Sicherheitsbescheid des Bundesnachrichtendienstes. Seine Lehrtätigkeit musste er aufgeben.
Gelder erhielt auch der Forsite Verlag für den Titel "Herman Wirth. Leben - Werk - Wirkung". Er behandelte einen völkischen Esoteriker, der in der NS-Zeit zusammen mit Heinrich Himmler die sogenannte "Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe" gründete. Verantwortlicher im Forsite-Verlag ist Dennis K. Er ist Herausgeber der Zeitschrift "Reconquista" und hat für das Magazin "N. S. Heute" geschrieben. Beide Publikationen werden vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz seit Jahren als rechtsextrem eingestuft.
Das Recherche-Team konnte überdies feststellen, dass einige Verlage für ihre Buchprojekte Geld bekamen, obwohl sie gegen die Förderkriterien verstießen, welche die Kulturstaatsministerin aufgestellt hatte.
Das Corona-Hilfspaket "Neustart Kultur" startete im Sommer 2020 und läuft zum 30. Juni 2023 aus; es umfasst insgesamt etwa zwei Milliarden Euro. Rund 94 Millionen Euro davon flossen in den Bereich Literatur, wie die Erhebungen von Deutschlandfunk Kultur erstmals zeigen. Unterstützt wurden damit Verlage, Buchhandlungen, Autorinnen, Übersetzer sowie Lesebühnen und Literaturhäuser. Der Großteil der Maßnahmen, etwa die Verteilung der Gelder über die VG Wort und über den Deutschen Übersetzerfonds, hat sich dabei als passgenau und hilfreich für die Zielgruppen erwiesen. So lautet ein weiteres Ergebnis der Recherche, die mehr als 20 Förderprogramme und Programmmodule aus dem Bereich Literatur analysiert hat.
Unterstützt wurden auch die beiden großen Buchmessen: Die Frankfurter Buchmesse erhielt für die Jahre 2020 bis 2022 insgesamt 12,5 Millionen Euro an Neustart Kultur-Fördermitteln. Die Leipziger Buchmesse, die am 27. April beginnt, wird in diesem Jahr mit drei Millionen Euro unterstützt. Auch die letztjährige Leipziger Buchmesse erhielt Gelder in Höhe von zwei Millionen Euro - obwohl die Messe kurzfristig abgesagt wurde und nicht stattfand.
Die Recherche mit umfangreichem Datenmaterial ist unter deutschlandfunkkultur.de/kulturmilliarde abrufbar.
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