22.11.2019 11:00 | Deutsche AIDS-Hilfe | Gesundheit / Medizin
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Die Fachwelt warnt vor einem Sexkaufverbot
Berlin (ots) - Debatte über Prostitution: Verbände und Beratungsstellen
informieren über Gefahren einer Kriminalisierung und sinnvolle Alternativen
(Gemeinsame Pressemitteilung)
Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25.11. haben
Fachverbände und Beratungsstellen heute ein Positionspapier zur beginnenden
Diskussion über ein so genanntes Sexkaufverbot vorgestellt. Sie zeigen darin
anhand internationaler Studien: Jede Form der Kriminalisierung der Prostitution
schadet den Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind.
Die Organisationen reagieren mit dieser Expertise auf die Absicht einiger
Bundestagsabgeordneter aus verschiedenen Parteien, die Inanspruchnahme sexueller
Dienstleistungen unter Strafe zu stellen. Ein entsprechender Antrag wird auch
auf dem kommenden SPD-Bundesparteitag erwartet.
Prostituierten drohen neue Gefahren
Die Behauptung, Prostituierte könnten so vor Zwang und Menschenhandel geschützt
werden, weisen die Fachleute zurück. Ganz im Gegenteil: Gerade Prostituierte in
prekären und gefährlichen Lagen würden besonders geschädigt, weil sie weiter
marginalisiert und sichere Arbeitsbedingungen verhindert würden. Der Zugang zu
Hilfe und Beratung würde enorm erschwert.
Wissenschaftliche Evidenz
Die Studien sind eindeutig: Eine Kriminalisierung erhöht das Risiko der
Betroffenen, Opfer von Gewalt und anderen Straftaten zu werden oder sich sexuell
übertragbare Infektionen wie HIV zuzuziehen. Wer wirklich etwas für Menschen in
der Sexarbeit tun will, muss ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern. Das
gilt ganz besonders für Frauen mit aufenthaltsrechtlichen Problemen und ohne
Krankenversicherung.
Sichere Arbeitsbedingungen erhalten
Das Sexkaufverbot hingegen würde außerdem auch Verbote des Betriebs von
Bordellen und Zimmervermietungen nach sich ziehen - und damit den Aufbau
sicherer Arbeitsbedingungen illegalisieren.
Dazu sagt Johanna Thie, Fachreferentin "Hilfen für Frauen" der Diakonie
Deutschland - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.: "Die
aufflammende Diskussion erfüllt uns mit tiefer Sorge. Sie geht in die völlig
falsche Richtung und verkennt die Realität in Prävention und Sozialarbeit.
Gerade bereits marginalisierte Gruppen wie Migrantinnen, Trans* oder Drogen
konsumierende Menschen würden geschädigt. Was die Menschen in der Prostitution
schützen soll, könnte ihnen am Ende zum Verhängnis werden."
Claudia Zimmermann-Schwartz, Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes
e.V., erläutert: "Ein Sexkaufverbot würde auch die Rechte derjenigen berühren,
die diese Tätigkeit ausüben. Laut Bundesverfassungsgericht fällt Prostitution
unter die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit. Der Anspruch, Menschen
schützen zu wollen, rechtfertig nicht die Verletzung von Grundrechten. Dies gilt
umso mehr, als ein Sexkaufverbot nicht geeignet ist, Menschenhandel zu
verhindern."
Susanne Kahl-Passoth, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates,
erklärt: "Prostitution und Menschenhandel oder Zwangsprostitution müssen
getrennt betrachtet werden. Es gibt Frauen, die selbstbestimmt mit Prostitution
ihr Einkommen verdienen. Menschenhandel hingegen ist eine Verletzung der
Menschenrechte. Heute können Polizei und Sozialarbeit in gewerblichen Räume
zeigen, dass sie ansprechbar sind. Mit einem Sexkaufverbot würde Prostitution in
nicht kontrollierbare Räume verlagert, wo die betroffenen Frauen noch weniger
als heute erreicht werden könnten."
Sven Warminsky, Vorstand der Deutschen Aidshilfe, berichtet: "Alle Erfahrungen
in der HIV-Prävention zeigen: Grundlage, um Menschen zu erreichen, sind
Akzeptanz und Respekt. Wer Menschen ins Verborgene drängt, sorgt dafür, dass sie
keine sicheren Arbeitsbedingungen aufbauen können und dass sie für Prävention
und Hilfsangebote nicht mehr erreichbar sind. Die Vorstellung, das älteste
Gewerbe der Welt durch Verbote beenden zu können, ist dabei gleichermaßen naiv
wie bevormundend."
Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission e.V. -
Beratungsstelle für Prostituierte, Ehemalige und Opfer von Menschenhandel: "Eine
repressive Gesetzgebung würde das Vertrauensverhältnis der Prostituierten zu den
Anlaufstellen zerstören und so den Zugang zum Hilfesystem drastisch erschweren.
Statt einer Zerschlagung brauchen wir den Ausbau des etablierten Hilfesystems.
Ziel der sozialen Arbeit muss stets sein, Selbstbestimmung und Selbstbehauptung
zu stärken."
Claudia Rabe, Koordinatorin von contra - Fachstelle gegen Frauenhandel in
Schleswig-Holstein im Frauenwerk der Nordkirche betont: "Zweifelsohne müssen
Betroffene von Menschenhandel, Ausbeutung und Gewalt besser geschützt werden.
Nötig sind zum Beispiel umfassende Schutzrechte unabhängig von
Aufenthaltsfragen, ein Zeugnisverweigerungsrecht für Beratende und
flächendeckende Verfügbarkeit von Fachberatungsstellen."
Differenzierte Angebote absichern
Das Positionspapier nennt viele weitere sinnvolle Ansatzpunkte und macht
deutlich: Prostitution mit Gewalt gleichzusetzen, verhindert letztlich wirksame
Maßnahmen.
Die Lebenssituation und die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter_innen in
Deutschland sind sehr vielfältig. Allen gemein ist eines: So lange sie ihrer
Tätigkeit nachgehen, brauchen sie gesetzliche Rahmenbedingungen, um dies
möglichst sicher tun zu können. Sie brauchen Zugang zu medizinischer Versorgung
und differenzierten Präventions-, Beratungs- und Hilfsangeboten, die in der
individuellen Situation passende Hilfe anbieten, die natürlich auch
Unterstützung zum Ausstieg beinhalten kann.
Deutsche Aidshilfe // Deutscher Frauenrat e.V. // Deutscher Juristinnenbund e.V.
// Diakonie Deutschland - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.
// Dortmunder Mitternachtsmission e.V. - Beratungsstelle für Prostituierte,
Ehemalige und Opfer von Menschenhandel // contra e.V. Kiel - Fachstelle gegen
Frauenhandel in Schleswig-Holstein
Mehr Informationen:
Gemeinsames Positionspapier:
http://ots.de/TRyjuC
Deutsches Institut zu "Prostitution und Sexkaufverbot":
http://ots.de/NC6F5x
Pressekontakt:
Deutsche Aidshilfe
Holger Wicht, Pressesprecher
Tel. (030) 69 00 87 - 16
presse@dah.aidshilfe.de
www.aidshilfe.de
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/14407/4447350
OTS: Deutsche AIDS-Hilfe
Original-Content von: Deutsche AIDS-Hilfe, übermittelt durch news aktuell
informieren über Gefahren einer Kriminalisierung und sinnvolle Alternativen
(Gemeinsame Pressemitteilung)
Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25.11. haben
Fachverbände und Beratungsstellen heute ein Positionspapier zur beginnenden
Diskussion über ein so genanntes Sexkaufverbot vorgestellt. Sie zeigen darin
anhand internationaler Studien: Jede Form der Kriminalisierung der Prostitution
schadet den Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind.
Die Organisationen reagieren mit dieser Expertise auf die Absicht einiger
Bundestagsabgeordneter aus verschiedenen Parteien, die Inanspruchnahme sexueller
Dienstleistungen unter Strafe zu stellen. Ein entsprechender Antrag wird auch
auf dem kommenden SPD-Bundesparteitag erwartet.
Prostituierten drohen neue Gefahren
Die Behauptung, Prostituierte könnten so vor Zwang und Menschenhandel geschützt
werden, weisen die Fachleute zurück. Ganz im Gegenteil: Gerade Prostituierte in
prekären und gefährlichen Lagen würden besonders geschädigt, weil sie weiter
marginalisiert und sichere Arbeitsbedingungen verhindert würden. Der Zugang zu
Hilfe und Beratung würde enorm erschwert.
Wissenschaftliche Evidenz
Die Studien sind eindeutig: Eine Kriminalisierung erhöht das Risiko der
Betroffenen, Opfer von Gewalt und anderen Straftaten zu werden oder sich sexuell
übertragbare Infektionen wie HIV zuzuziehen. Wer wirklich etwas für Menschen in
der Sexarbeit tun will, muss ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern. Das
gilt ganz besonders für Frauen mit aufenthaltsrechtlichen Problemen und ohne
Krankenversicherung.
Sichere Arbeitsbedingungen erhalten
Das Sexkaufverbot hingegen würde außerdem auch Verbote des Betriebs von
Bordellen und Zimmervermietungen nach sich ziehen - und damit den Aufbau
sicherer Arbeitsbedingungen illegalisieren.
Dazu sagt Johanna Thie, Fachreferentin "Hilfen für Frauen" der Diakonie
Deutschland - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.: "Die
aufflammende Diskussion erfüllt uns mit tiefer Sorge. Sie geht in die völlig
falsche Richtung und verkennt die Realität in Prävention und Sozialarbeit.
Gerade bereits marginalisierte Gruppen wie Migrantinnen, Trans* oder Drogen
konsumierende Menschen würden geschädigt. Was die Menschen in der Prostitution
schützen soll, könnte ihnen am Ende zum Verhängnis werden."
Claudia Zimmermann-Schwartz, Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes
e.V., erläutert: "Ein Sexkaufverbot würde auch die Rechte derjenigen berühren,
die diese Tätigkeit ausüben. Laut Bundesverfassungsgericht fällt Prostitution
unter die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit. Der Anspruch, Menschen
schützen zu wollen, rechtfertig nicht die Verletzung von Grundrechten. Dies gilt
umso mehr, als ein Sexkaufverbot nicht geeignet ist, Menschenhandel zu
verhindern."
Susanne Kahl-Passoth, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates,
erklärt: "Prostitution und Menschenhandel oder Zwangsprostitution müssen
getrennt betrachtet werden. Es gibt Frauen, die selbstbestimmt mit Prostitution
ihr Einkommen verdienen. Menschenhandel hingegen ist eine Verletzung der
Menschenrechte. Heute können Polizei und Sozialarbeit in gewerblichen Räume
zeigen, dass sie ansprechbar sind. Mit einem Sexkaufverbot würde Prostitution in
nicht kontrollierbare Räume verlagert, wo die betroffenen Frauen noch weniger
als heute erreicht werden könnten."
Sven Warminsky, Vorstand der Deutschen Aidshilfe, berichtet: "Alle Erfahrungen
in der HIV-Prävention zeigen: Grundlage, um Menschen zu erreichen, sind
Akzeptanz und Respekt. Wer Menschen ins Verborgene drängt, sorgt dafür, dass sie
keine sicheren Arbeitsbedingungen aufbauen können und dass sie für Prävention
und Hilfsangebote nicht mehr erreichbar sind. Die Vorstellung, das älteste
Gewerbe der Welt durch Verbote beenden zu können, ist dabei gleichermaßen naiv
wie bevormundend."
Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission e.V. -
Beratungsstelle für Prostituierte, Ehemalige und Opfer von Menschenhandel: "Eine
repressive Gesetzgebung würde das Vertrauensverhältnis der Prostituierten zu den
Anlaufstellen zerstören und so den Zugang zum Hilfesystem drastisch erschweren.
Statt einer Zerschlagung brauchen wir den Ausbau des etablierten Hilfesystems.
Ziel der sozialen Arbeit muss stets sein, Selbstbestimmung und Selbstbehauptung
zu stärken."
Claudia Rabe, Koordinatorin von contra - Fachstelle gegen Frauenhandel in
Schleswig-Holstein im Frauenwerk der Nordkirche betont: "Zweifelsohne müssen
Betroffene von Menschenhandel, Ausbeutung und Gewalt besser geschützt werden.
Nötig sind zum Beispiel umfassende Schutzrechte unabhängig von
Aufenthaltsfragen, ein Zeugnisverweigerungsrecht für Beratende und
flächendeckende Verfügbarkeit von Fachberatungsstellen."
Differenzierte Angebote absichern
Das Positionspapier nennt viele weitere sinnvolle Ansatzpunkte und macht
deutlich: Prostitution mit Gewalt gleichzusetzen, verhindert letztlich wirksame
Maßnahmen.
Die Lebenssituation und die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter_innen in
Deutschland sind sehr vielfältig. Allen gemein ist eines: So lange sie ihrer
Tätigkeit nachgehen, brauchen sie gesetzliche Rahmenbedingungen, um dies
möglichst sicher tun zu können. Sie brauchen Zugang zu medizinischer Versorgung
und differenzierten Präventions-, Beratungs- und Hilfsangeboten, die in der
individuellen Situation passende Hilfe anbieten, die natürlich auch
Unterstützung zum Ausstieg beinhalten kann.
Deutsche Aidshilfe // Deutscher Frauenrat e.V. // Deutscher Juristinnenbund e.V.
// Diakonie Deutschland - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.
// Dortmunder Mitternachtsmission e.V. - Beratungsstelle für Prostituierte,
Ehemalige und Opfer von Menschenhandel // contra e.V. Kiel - Fachstelle gegen
Frauenhandel in Schleswig-Holstein
Mehr Informationen:
Gemeinsames Positionspapier:
http://ots.de/TRyjuC
Deutsches Institut zu "Prostitution und Sexkaufverbot":
http://ots.de/NC6F5x
Pressekontakt:
Deutsche Aidshilfe
Holger Wicht, Pressesprecher
Tel. (030) 69 00 87 - 16
presse@dah.aidshilfe.de
www.aidshilfe.de
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/14407/4447350
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