26.06.2019 21:00 | Westfalen-Blatt | Presseschau
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Westfalen-Blatt: Kommentar zum Lügde-Prozess
Bielefeld (ots) - Warum sind Beamte der Kreispolizei Lippe 2016
konkreten Hinweisen auf Andreas V. nicht nachgegangen? Warum hat das
Jugendamt Hameln-Pyrmont ein Pflegekind auf der vermüllten, dreckigen
Parzelle des alleinstehenden Dauercampers untergebracht, obwohl ein
Pädophilieverdacht gegen den Mann in den Akten stand? Wer Antworten
auf diese Fragen vom Lügde-Prozess erhofft, wird enttäuscht. Denn vor
dem Landgericht Detmold geht es von heute an ausschließlich um die
Schuld oder Unschuld dreier Männer. Zwei sollen hundertfach Kinder
missbraucht, der dritte aus der Ferne per Webcam zugeschaut und
dirigiert haben. Das vielfältige Behördenversagen wird in dem Prozess
allenfalls gestreift, aber die Pannen sind ja auch nicht der Kern des
Falls. Es geht um Kindesmissbrauch, wobei dieser Begriff
strafrechtlich ein weites Feld beschreibt. Kindern Pornofotos zu
zeigen - schon das wertet der Paragraph 176 als Kindesmissbrauch. Im
Fall Lügde sind wir aber am anderen Ende der Skala, da geht es um
schweren Missbrauch. Konkret um den Verdacht der hundertfachen
Vergewaltigung von Kindern in allen nur denkbaren Formen. Trotz
Flehens, trotz vereinzelter Gegenwehr, trotz vereinzelter
Schmerzens-schreie. Ein Opfer soll erst vier oder fünf gewesen sein.
So steht es in der Anklage. »Man möchte den Dreck nicht lesen«, sagte
ein Nebenklageanwalt, nachdem er vor Wochen in die Akten hatte sehen
dürfen. In der Tat sind es unbeschreibliche Perversitäten, mit denen
sich das Gericht in den kommenden Wochen befassen muss. Da ist es
gut, dass die Kammer unter Vorsitz von Anke Grudda für ihren
einfühlsamen Umgang mit Opferzeugen bekannt ist. Vor allem im
Interesse der Kinder ist zu hoffen, dass die Angeklagten den Prozess
verkürzen, indem sie möglichst bald Geständnisse ablegen. Zum Glück
sind die Verteidiger bodenständige Rechtsanwälte, die nicht dafür
stehen, Verfahren mit vorgeschobenen Anträgen in die Länge zu ziehen
oder mutmaßliche Opfer zu attackieren. Nein, mit einer
Konfliktverteidigung muss in diesem Prozess wohl nicht gerechnet
werden. Der monströse Missbrauchsfall hat aber - wenn man das denn
sagen darf - auch etwas Gutes: Nie zuvor wurde so intensiv über
Kinderpornographie und Kindesmissbrauch geredet. NRW-Innenminister
Herbert Reul (CDU) hat die Verfolgung solcher Taten inzwischen zu
einer wesentlichen Aufgabe der nordrhein-westfälischen Polizei
erklärt und lässt sich nun jeden Monat Bericht erstatten. Das reicht
aber nicht: Bis heute gelten Kindesmissbrauch und Kinderpornobesitz
nicht als Verbrechen, weil die Mindeststrafe unter einem Jahr liegt.
Hier muss der Gesetzgeber möglichst bald ganz andere Mindeststrafen
festlegen.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Dominik Rose
Telefon: 0521 585-261
d.rose@westfalen-blatt.de
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell
konkreten Hinweisen auf Andreas V. nicht nachgegangen? Warum hat das
Jugendamt Hameln-Pyrmont ein Pflegekind auf der vermüllten, dreckigen
Parzelle des alleinstehenden Dauercampers untergebracht, obwohl ein
Pädophilieverdacht gegen den Mann in den Akten stand? Wer Antworten
auf diese Fragen vom Lügde-Prozess erhofft, wird enttäuscht. Denn vor
dem Landgericht Detmold geht es von heute an ausschließlich um die
Schuld oder Unschuld dreier Männer. Zwei sollen hundertfach Kinder
missbraucht, der dritte aus der Ferne per Webcam zugeschaut und
dirigiert haben. Das vielfältige Behördenversagen wird in dem Prozess
allenfalls gestreift, aber die Pannen sind ja auch nicht der Kern des
Falls. Es geht um Kindesmissbrauch, wobei dieser Begriff
strafrechtlich ein weites Feld beschreibt. Kindern Pornofotos zu
zeigen - schon das wertet der Paragraph 176 als Kindesmissbrauch. Im
Fall Lügde sind wir aber am anderen Ende der Skala, da geht es um
schweren Missbrauch. Konkret um den Verdacht der hundertfachen
Vergewaltigung von Kindern in allen nur denkbaren Formen. Trotz
Flehens, trotz vereinzelter Gegenwehr, trotz vereinzelter
Schmerzens-schreie. Ein Opfer soll erst vier oder fünf gewesen sein.
So steht es in der Anklage. »Man möchte den Dreck nicht lesen«, sagte
ein Nebenklageanwalt, nachdem er vor Wochen in die Akten hatte sehen
dürfen. In der Tat sind es unbeschreibliche Perversitäten, mit denen
sich das Gericht in den kommenden Wochen befassen muss. Da ist es
gut, dass die Kammer unter Vorsitz von Anke Grudda für ihren
einfühlsamen Umgang mit Opferzeugen bekannt ist. Vor allem im
Interesse der Kinder ist zu hoffen, dass die Angeklagten den Prozess
verkürzen, indem sie möglichst bald Geständnisse ablegen. Zum Glück
sind die Verteidiger bodenständige Rechtsanwälte, die nicht dafür
stehen, Verfahren mit vorgeschobenen Anträgen in die Länge zu ziehen
oder mutmaßliche Opfer zu attackieren. Nein, mit einer
Konfliktverteidigung muss in diesem Prozess wohl nicht gerechnet
werden. Der monströse Missbrauchsfall hat aber - wenn man das denn
sagen darf - auch etwas Gutes: Nie zuvor wurde so intensiv über
Kinderpornographie und Kindesmissbrauch geredet. NRW-Innenminister
Herbert Reul (CDU) hat die Verfolgung solcher Taten inzwischen zu
einer wesentlichen Aufgabe der nordrhein-westfälischen Polizei
erklärt und lässt sich nun jeden Monat Bericht erstatten. Das reicht
aber nicht: Bis heute gelten Kindesmissbrauch und Kinderpornobesitz
nicht als Verbrechen, weil die Mindeststrafe unter einem Jahr liegt.
Hier muss der Gesetzgeber möglichst bald ganz andere Mindeststrafen
festlegen.
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Dominik Rose
Telefon: 0521 585-261
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