12.08.2019 20:50 | Neue Westfälische (Bielefeld) | Presseschau
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Neue Westfälische (Bielefeld): Gesundheitsminister Spahn ignoriert ein Grundsatzurteil Die Politik verhindert Sterbehilfe Carolin Nieder-Entgelmeier
Bielefeld (ots) - Der Einzelne ist am Lebensende und bei schwerer
Krankheit auf die Achtung und den Schutz seiner Autonomie angewiesen.
Mit diesen Worten begründen die Richter am Bundesverwaltungsgericht
2017 ihr Grundsatzurteil. Demnach darf der Staat Todkranken in
extremen Notlagen nicht die Möglichkeit zur Selbsttötung verwehren,
weil Menschen ein Grundrecht darauf haben, selbst zu bestimmen, wie
und wann sie ihr Leben beenden möchten. Umgesetzt wird das Urteil
jedoch nicht, auf Wunsch von Gesundheitsminister Jens Spahn. Spahn
setzt sich über ein höchstrichterliches Urteil hinweg, indem er mit
einer Weisung verhindert, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel
Anträge von Todkranken auf Medikamente zur Selbsttötung ergebnisoffen
prüft. Stattdessen wird pauschal abgelehnt, obwohl das Institut alle
Anträge individuell und aufwendig prüft. Damit wird Todkranken nicht
nur die Möglichkeit zur Selbsttötung verwehrt, sie werden auch zum
Narren gehalten, wenn ihnen versichert wird, dass alle Anträge
individuell geprüft werden. In den letzten Wochen vor ihrem Tod holen
Betroffene Gutachten von Ärzten ein, in der Hoffnung, vielleicht doch
noch die Möglichkeit zu erhalten, selbst zu bestimmen, wann, wie und
wo sie sterben können. Eine unerträgliche Praxis für Betroffene und
ihre Angehörigen. Der verstorbene CDU-Politiker und frühere
Generalsekretär Peter Hintze brachte das Thema im Streit um die
Sterbehilfe im Bundestag auf den Punkt: Es kann keinesfalls Aufgabe
der Politik sein, verzweifelten Menschen als letzten Ausweg nur zu
lassen, sich vor einen Zug zu stürzen. Am Ende der Diskussion steht
2015 das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Da aber der Begriff
geschäftsmäßig juristisch auch Wiederholungen beinhaltet, sorgt der
Kompromiss vor allem für Unsicherheit zu Lasten von Ärzten und
Patienten. Kritiker verweisen dann stets auf die Palliativmedizin,
doch nicht alle Patienten erleben beispielsweise die Methode des
Sterbefastens als würdevoll. Ein ALS-Patient erlebt den freiwilligen
Verzicht von Essen und Trinken als unzumutbar und unwürdig. Trotzdem
verzichtet der 78-Jährige sechs Tage lang auf jegliche Nahrung und
verweigert sogar Wasser zur Tabletteneinnahme, um seinen Sterbewunsch
umzusetzen. Nun bleibt Todkranken in Deutschland nur zu hoffen, dass
das Bundesverfassungsgericht wieder für mehr Sicherheit sorgt.
Sterbehilfe juristisch zu regeln ist heikel, aber dringend nötig,
damit sich die Bundesregierung nicht noch länger über
höchstrichterliche Urteile hinwegsetzt. Doch sicher ist auch vor dem
Urteil: Todkranke brauchen keine staatliche Bevormundung, sondern
offene und empathische Ärzte, die ihr Anliegen kritisch prüfen.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell
Krankheit auf die Achtung und den Schutz seiner Autonomie angewiesen.
Mit diesen Worten begründen die Richter am Bundesverwaltungsgericht
2017 ihr Grundsatzurteil. Demnach darf der Staat Todkranken in
extremen Notlagen nicht die Möglichkeit zur Selbsttötung verwehren,
weil Menschen ein Grundrecht darauf haben, selbst zu bestimmen, wie
und wann sie ihr Leben beenden möchten. Umgesetzt wird das Urteil
jedoch nicht, auf Wunsch von Gesundheitsminister Jens Spahn. Spahn
setzt sich über ein höchstrichterliches Urteil hinweg, indem er mit
einer Weisung verhindert, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel
Anträge von Todkranken auf Medikamente zur Selbsttötung ergebnisoffen
prüft. Stattdessen wird pauschal abgelehnt, obwohl das Institut alle
Anträge individuell und aufwendig prüft. Damit wird Todkranken nicht
nur die Möglichkeit zur Selbsttötung verwehrt, sie werden auch zum
Narren gehalten, wenn ihnen versichert wird, dass alle Anträge
individuell geprüft werden. In den letzten Wochen vor ihrem Tod holen
Betroffene Gutachten von Ärzten ein, in der Hoffnung, vielleicht doch
noch die Möglichkeit zu erhalten, selbst zu bestimmen, wann, wie und
wo sie sterben können. Eine unerträgliche Praxis für Betroffene und
ihre Angehörigen. Der verstorbene CDU-Politiker und frühere
Generalsekretär Peter Hintze brachte das Thema im Streit um die
Sterbehilfe im Bundestag auf den Punkt: Es kann keinesfalls Aufgabe
der Politik sein, verzweifelten Menschen als letzten Ausweg nur zu
lassen, sich vor einen Zug zu stürzen. Am Ende der Diskussion steht
2015 das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Da aber der Begriff
geschäftsmäßig juristisch auch Wiederholungen beinhaltet, sorgt der
Kompromiss vor allem für Unsicherheit zu Lasten von Ärzten und
Patienten. Kritiker verweisen dann stets auf die Palliativmedizin,
doch nicht alle Patienten erleben beispielsweise die Methode des
Sterbefastens als würdevoll. Ein ALS-Patient erlebt den freiwilligen
Verzicht von Essen und Trinken als unzumutbar und unwürdig. Trotzdem
verzichtet der 78-Jährige sechs Tage lang auf jegliche Nahrung und
verweigert sogar Wasser zur Tabletteneinnahme, um seinen Sterbewunsch
umzusetzen. Nun bleibt Todkranken in Deutschland nur zu hoffen, dass
das Bundesverfassungsgericht wieder für mehr Sicherheit sorgt.
Sterbehilfe juristisch zu regeln ist heikel, aber dringend nötig,
damit sich die Bundesregierung nicht noch länger über
höchstrichterliche Urteile hinwegsetzt. Doch sicher ist auch vor dem
Urteil: Todkranke brauchen keine staatliche Bevormundung, sondern
offene und empathische Ärzte, die ihr Anliegen kritisch prüfen.
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Politik , Presseschau ,
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