19.07.2019 17:28 | Mittelbayerische Zeitung | Presseschau
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Mittelbayerische Zeitung: Sehnsucht nach dem starken Mann/Bei BMW ist man offenbar froh über das Ende der Ära Harald Krüger/von Bernhard Fleischmann
Regensburg (ots) - Wer Vorstandschef bei BMW werden will, darf
nicht selbst den Blinker links setzen und auf die Überholspur
steuern. Vielmehr soll er sich durch vorangegangene Leistungen
automatisch aufdrängen. Oliver Zipse hat sich genau an diesen Brauch
gehalten. Insofern ist seine Berufung an die Spitze des
traditionsreichen Autoherstellers alles andere als eine Überraschung,
sondern eine Bestätigung der bisherigen Besetzungskultur. Nun aber
darf er loslegen, und er soll verbal wie auch in Taten Gas geben,
heißt es allerorten aus dem Unternehmen und dem Umfeld. Die Botschaft
dahinter: Vorgänger Harald Krüger hat sich in dieser Hinsicht allzu
sehr zurückgehalten. Überschwängliches Bedauern über seinen Abgang
spart sich der Konzern im Umgang mit dem scheidenden Vorstandschef.
Sehr konsensorientiert sei er und zu nachdenklich, wird ihm
vorgeworfen. Wenn Konsens und Nachdenken als negative Eigenschaften
gesehen werden, dann bewegt man sich allerdings in einer Welt, in der
sich ein Mensch mit einem sozialverträglichen emotionalen Kostüm kaum
wohlfühlen kann. Krüger wirkte wie ein wohltuender Antityp des kalten
Managers. Deshalb ist er offenbar gescheitert. Gleich zu Beginn
seiner Berufung wurde ihm ein Schwächeanfall bei einem Auftritt auf
der Internationalen Automobilmesse in Frankfurt vor den Augen der
Weltöffentlichkeit zum Verhängnis. Seitdem flogen immer wieder
verbale Pfeile aus dunklen Hecken, die seine Führungsqualitäten
ankratzten. Auch Aufsichtsratschef Norbert Reithofer und der IG
Metaller Horst Lischka betonen, dass man jetzt Führungskompetenz und
klare Positionierung erwarte. Der zermürbte Krüger, der wirkt, als
würde ihm mit der Verantwortung für BMW eine große Last abgenommen,
stand für eine andere Idee. Unter anderem wollte er sich nicht auf
nur eine Antriebstechnologie für die Zukunft festlegen. Wasserstoff,
Verbrenner, Hybride, Batterie - alles sollte BMW weiterhin
beherrschen, weil noch keiner so recht weiß, was sich am Ende
durchsetzt. Nun spricht zurzeit sehr viel dafür, dass die Stromer das
Rennen in den großen Weltmärkten machen, allein deshalb, weil China
mit seinem Megamarkt diese Richtung vorgibt. Mit ein bisschen Neid
und Wehmut blicken einige bei BMW nach Wolfsburg. Dort schüttelt es
den vormaligen BMW-Manager Herbert Diess wegen der Dieselbetrügereien
zwar gewaltig durch. Aber er hat ganz klar entschieden, dass bei
Volkswagen mit aller Konsequenz die Reise in Richtung Elektroauto
geht. Offenbar fehlt es den Münchnern momentan an einer solchen
leuchtenden Vision, an die alle glauben und die sie mitreißt. Dieser
Mangel scheint ein gravierender Nachteil des krügerschen
Führungsverständnisses zu sein. Zipse muss bald klären, ob BMW an
dieser Technologieoffenheit festhält oder sich eindeutig auf dem
Elektropfad positioniert. Dort ist BMW nach den Pioniermodellen i3
und i8 in ein Loch gefallen, das erst in zwei Jahren mit grundlegend
neuen Modellen richtig aufgefüllt wird - zu spät für Krüger, um damit
zu glänzen. Für Aufsehen sorgte zuletzt dagegen der Riesen-SUV X7 -
ein brandneues Auto, das heute schon wie ein trotziges Trumm
Vergangenheit wirkt. Drohende Milliardenstrafen wegen zu hoher
Verbrauchswerte, Neuausrichtung des gesamten Geschäfts inclusive
Mobilitätsdienstleistungen, noch weitergehende Kooperationen - die
gewaltigen Aufgaben sind für alle gleich, egal ob Volkswagen, Daimler
oder BMW. Und alle verdienen zurzeit weitaus weniger Geld, als sie
sich auf Dauer vorgenommen haben. In unübersichtlichen Zeiten wie
diesen sehnen sich Menschen nach Orientierung, Führung, "dem starken
Mann". Ob Zipse diese Bedürfnisse hinreichend befriedigen kann, wird
sich bald zeigen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
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steuern. Vielmehr soll er sich durch vorangegangene Leistungen
automatisch aufdrängen. Oliver Zipse hat sich genau an diesen Brauch
gehalten. Insofern ist seine Berufung an die Spitze des
traditionsreichen Autoherstellers alles andere als eine Überraschung,
sondern eine Bestätigung der bisherigen Besetzungskultur. Nun aber
darf er loslegen, und er soll verbal wie auch in Taten Gas geben,
heißt es allerorten aus dem Unternehmen und dem Umfeld. Die Botschaft
dahinter: Vorgänger Harald Krüger hat sich in dieser Hinsicht allzu
sehr zurückgehalten. Überschwängliches Bedauern über seinen Abgang
spart sich der Konzern im Umgang mit dem scheidenden Vorstandschef.
Sehr konsensorientiert sei er und zu nachdenklich, wird ihm
vorgeworfen. Wenn Konsens und Nachdenken als negative Eigenschaften
gesehen werden, dann bewegt man sich allerdings in einer Welt, in der
sich ein Mensch mit einem sozialverträglichen emotionalen Kostüm kaum
wohlfühlen kann. Krüger wirkte wie ein wohltuender Antityp des kalten
Managers. Deshalb ist er offenbar gescheitert. Gleich zu Beginn
seiner Berufung wurde ihm ein Schwächeanfall bei einem Auftritt auf
der Internationalen Automobilmesse in Frankfurt vor den Augen der
Weltöffentlichkeit zum Verhängnis. Seitdem flogen immer wieder
verbale Pfeile aus dunklen Hecken, die seine Führungsqualitäten
ankratzten. Auch Aufsichtsratschef Norbert Reithofer und der IG
Metaller Horst Lischka betonen, dass man jetzt Führungskompetenz und
klare Positionierung erwarte. Der zermürbte Krüger, der wirkt, als
würde ihm mit der Verantwortung für BMW eine große Last abgenommen,
stand für eine andere Idee. Unter anderem wollte er sich nicht auf
nur eine Antriebstechnologie für die Zukunft festlegen. Wasserstoff,
Verbrenner, Hybride, Batterie - alles sollte BMW weiterhin
beherrschen, weil noch keiner so recht weiß, was sich am Ende
durchsetzt. Nun spricht zurzeit sehr viel dafür, dass die Stromer das
Rennen in den großen Weltmärkten machen, allein deshalb, weil China
mit seinem Megamarkt diese Richtung vorgibt. Mit ein bisschen Neid
und Wehmut blicken einige bei BMW nach Wolfsburg. Dort schüttelt es
den vormaligen BMW-Manager Herbert Diess wegen der Dieselbetrügereien
zwar gewaltig durch. Aber er hat ganz klar entschieden, dass bei
Volkswagen mit aller Konsequenz die Reise in Richtung Elektroauto
geht. Offenbar fehlt es den Münchnern momentan an einer solchen
leuchtenden Vision, an die alle glauben und die sie mitreißt. Dieser
Mangel scheint ein gravierender Nachteil des krügerschen
Führungsverständnisses zu sein. Zipse muss bald klären, ob BMW an
dieser Technologieoffenheit festhält oder sich eindeutig auf dem
Elektropfad positioniert. Dort ist BMW nach den Pioniermodellen i3
und i8 in ein Loch gefallen, das erst in zwei Jahren mit grundlegend
neuen Modellen richtig aufgefüllt wird - zu spät für Krüger, um damit
zu glänzen. Für Aufsehen sorgte zuletzt dagegen der Riesen-SUV X7 -
ein brandneues Auto, das heute schon wie ein trotziges Trumm
Vergangenheit wirkt. Drohende Milliardenstrafen wegen zu hoher
Verbrauchswerte, Neuausrichtung des gesamten Geschäfts inclusive
Mobilitätsdienstleistungen, noch weitergehende Kooperationen - die
gewaltigen Aufgaben sind für alle gleich, egal ob Volkswagen, Daimler
oder BMW. Und alle verdienen zurzeit weitaus weniger Geld, als sie
sich auf Dauer vorgenommen haben. In unübersichtlichen Zeiten wie
diesen sehnen sich Menschen nach Orientierung, Führung, "dem starken
Mann". Ob Zipse diese Bedürfnisse hinreichend befriedigen kann, wird
sich bald zeigen.
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