24.06.2019 20:00 | Mittelbayerische Zeitung | Presseschau
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Mittelbayerische Zeitung: Brüsseler Politik im Brexit-Stil / Zwischenstand im Postenpoker: Macron stellt das Parlament kalt. Seine Taktik geht auf, so lange sich die Fraktionen wechselseitig blockieren. Von Christine Schröpf
Regensburg (ots) - Wie rasch sich ein Erfolg für die Demokratie
verpulvern lässt, ist derzeit auf Brüsseler Bühne zu verfolgen. Die
Europawahl vor vier Wochen hatte Mut gemacht. Schon die hohe
Wahlbeteiligung zeigte: Den Menschen in Europa ist die EU nicht egal.
Anders als befürchtet, ergab sich auch keine Machtkonstellation, bei
der proeuropäische Kräfte von ultrarechten Anti-Europäern ausgehebelt
werden können. Doch die Freude war verfrüht. Wechselseitiges
Blockieren gelingt den großen Parteifamilien im Parlament wie auch
den europäischen Regierungschefs ganz gut alleine. Man kopiert
offenkundig den miserablen britischen Brexit-Stil, bei dem jeder
konsequent gegen Alles ist, sich keinen Millimeter bewegt und darauf
setzt, dass ein Klügerer am Ende nachgeben wird, weil er sich das
Elend nicht länger anschauen mag. Bei der Neubesetzung der fünf
wichtigsten Ämter in der EU wird jedenfalls gefoult, geholzt und
gemauert. Eine Schlüsselrolle spielt der vermeintliche
Vollblut-Europäer Emmanuel Macron, der in den Reihen der
Regierungschefs und in der liberalen Fraktion "Renew Europe" auf
ungute Weise Strippen zieht. Der französische Staatspräsident hat
sich zur Hauptaufgabe gemacht, CSU-Mann Manfred Weber komme was wolle
als EU-Kommissionspräsident zu verhindern. Macron hat die eigenen
Machtinteressen im Blick. Er möchte, dass Frankreich in der EU eine
größere Rolle spielt - und Deutschland eine kleinere. Er revanchiert
sich bei Kanzlerin Angela Merkel, die ihn in der Vergangenheit mit
seinen europäischen Reformvorschlägen ziemlich abtropfen ließ. Alles
Motive, die eigenem Kalkül folgen und bei denen der Fokus nicht auf
einem besseren Europa liegt. Macron verbrämt es mit fadenscheinigen
Argumenten: Weber sei ohne Regierungserfahrung, heißt es. Ein
Argument, das übrigens nicht nur aus Frankreich kommt, sondern auch
aus der deutschen SPD. Das ist natürlich Quatsch. Nach diesem Maßstab
hätten einige Staatschefs nie in Regierungsverantwortung kommen
können. Und den Sozialdemokraten bliebe in Bayern - ebenfalls zu
Unrecht - auf immer der Ministerpräsidentensessel verwehrt. Der
französische Staatspräsident bootet mit seiner Tour auch schlicht das
Parlament aus. Er versenkt das Spitzenkandidaten-Modell, das vor fünf
Jahren bei der Wahl von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker als
wichtiger Schritt der Demokratisierung erstmals gegen widerwillige
Regierungschefs durchgesetzt worden war. Sie haben offiziell das
Vorschlagsrecht. Nicht nur Macron missfällt, dass er nur aus der
Riege der Spitzenkandidaten wählen soll. Macrons Störfeuer sind
deshalb von Erfolg gekrönt, weil das Parlament gespalten ist, in
eigene Machtspielchen verfällt und sich nicht auf seine Stärken
besinnt. Die Abgeordneten müssten sich auf einen konkreten Kandidaten
einigen und ihn oder sie gegenüber den Regierungschefs für
unverhandelbar erklären. Und ob es nun jedem Beteiligten gefällt oder
nicht: Weber und die EVP sind dabei als zahlenmäßig stärkste Kraft in
der Pole-Position. Scheitern die Konservativen bei der Suche nach
Mehrheiten, kommen die Spitzenkandidaten Frans Timmermans von den
Sozialdemokraten und Ska Keller von den Grünen zum Zug. Zur
Demokratie gehört, dass es am Ende ein Ergebnis geben muss. Es
braucht ein Ja für einen Kandidaten, es reicht kein fortgesetztes
Nein. Die Zeit drängt, auch wenn der Kommissionspräsident erst am 16.
Juli zur Abstimmung steht. Viele Wähler sind der neuesten
Personal-Spielchen schon überdrüssig. Mit allen möglichen Spätfolgen
bei der nächsten Europawahl: Wer sollte das Parlament, wer sollte
einen Spitzenkandidaten im Wahlkampf 2024 ernst nehmen, wenn er doch
nur Kurzzeit-Staffage ist und mit dem Wahltag Niemanden mehr etwas
gilt?
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
verpulvern lässt, ist derzeit auf Brüsseler Bühne zu verfolgen. Die
Europawahl vor vier Wochen hatte Mut gemacht. Schon die hohe
Wahlbeteiligung zeigte: Den Menschen in Europa ist die EU nicht egal.
Anders als befürchtet, ergab sich auch keine Machtkonstellation, bei
der proeuropäische Kräfte von ultrarechten Anti-Europäern ausgehebelt
werden können. Doch die Freude war verfrüht. Wechselseitiges
Blockieren gelingt den großen Parteifamilien im Parlament wie auch
den europäischen Regierungschefs ganz gut alleine. Man kopiert
offenkundig den miserablen britischen Brexit-Stil, bei dem jeder
konsequent gegen Alles ist, sich keinen Millimeter bewegt und darauf
setzt, dass ein Klügerer am Ende nachgeben wird, weil er sich das
Elend nicht länger anschauen mag. Bei der Neubesetzung der fünf
wichtigsten Ämter in der EU wird jedenfalls gefoult, geholzt und
gemauert. Eine Schlüsselrolle spielt der vermeintliche
Vollblut-Europäer Emmanuel Macron, der in den Reihen der
Regierungschefs und in der liberalen Fraktion "Renew Europe" auf
ungute Weise Strippen zieht. Der französische Staatspräsident hat
sich zur Hauptaufgabe gemacht, CSU-Mann Manfred Weber komme was wolle
als EU-Kommissionspräsident zu verhindern. Macron hat die eigenen
Machtinteressen im Blick. Er möchte, dass Frankreich in der EU eine
größere Rolle spielt - und Deutschland eine kleinere. Er revanchiert
sich bei Kanzlerin Angela Merkel, die ihn in der Vergangenheit mit
seinen europäischen Reformvorschlägen ziemlich abtropfen ließ. Alles
Motive, die eigenem Kalkül folgen und bei denen der Fokus nicht auf
einem besseren Europa liegt. Macron verbrämt es mit fadenscheinigen
Argumenten: Weber sei ohne Regierungserfahrung, heißt es. Ein
Argument, das übrigens nicht nur aus Frankreich kommt, sondern auch
aus der deutschen SPD. Das ist natürlich Quatsch. Nach diesem Maßstab
hätten einige Staatschefs nie in Regierungsverantwortung kommen
können. Und den Sozialdemokraten bliebe in Bayern - ebenfalls zu
Unrecht - auf immer der Ministerpräsidentensessel verwehrt. Der
französische Staatspräsident bootet mit seiner Tour auch schlicht das
Parlament aus. Er versenkt das Spitzenkandidaten-Modell, das vor fünf
Jahren bei der Wahl von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker als
wichtiger Schritt der Demokratisierung erstmals gegen widerwillige
Regierungschefs durchgesetzt worden war. Sie haben offiziell das
Vorschlagsrecht. Nicht nur Macron missfällt, dass er nur aus der
Riege der Spitzenkandidaten wählen soll. Macrons Störfeuer sind
deshalb von Erfolg gekrönt, weil das Parlament gespalten ist, in
eigene Machtspielchen verfällt und sich nicht auf seine Stärken
besinnt. Die Abgeordneten müssten sich auf einen konkreten Kandidaten
einigen und ihn oder sie gegenüber den Regierungschefs für
unverhandelbar erklären. Und ob es nun jedem Beteiligten gefällt oder
nicht: Weber und die EVP sind dabei als zahlenmäßig stärkste Kraft in
der Pole-Position. Scheitern die Konservativen bei der Suche nach
Mehrheiten, kommen die Spitzenkandidaten Frans Timmermans von den
Sozialdemokraten und Ska Keller von den Grünen zum Zug. Zur
Demokratie gehört, dass es am Ende ein Ergebnis geben muss. Es
braucht ein Ja für einen Kandidaten, es reicht kein fortgesetztes
Nein. Die Zeit drängt, auch wenn der Kommissionspräsident erst am 16.
Juli zur Abstimmung steht. Viele Wähler sind der neuesten
Personal-Spielchen schon überdrüssig. Mit allen möglichen Spätfolgen
bei der nächsten Europawahl: Wer sollte das Parlament, wer sollte
einen Spitzenkandidaten im Wahlkampf 2024 ernst nehmen, wenn er doch
nur Kurzzeit-Staffage ist und mit dem Wahltag Niemanden mehr etwas
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