10.09.2019 20:40 | BERLINER MORGENPOST | Presseschau
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BERLINER MORGENPOST: Große Pläne / Leitartikel von Christian Kerl zur EU-Kommission
Berlin (ots) - Kurzform: Wer in den EU-Hauptstädten gehofft hatte,
von der Leyen würde die Kommission nicht ganz so politisch anlegen
wie ihr Vorgänger Juncker und lieber auf die Anweisungen der
Regierungschefs warten, darf sich getäuscht fühlen; die Kommission
ist so austariert, dass ihre tragenden Kräfte Widerstände im
zerfaserten Parlament und im Rat überwinden können. Freilich, all das
gilt im Moment für die planbaren Herausforderungen. Die eigentliche
Bewährungsprobe für von der Leyen kommt, wenn sie wie ihre Vorgänger
mit unerwarteten Krisen konfrontiert wird. Die kommen schneller als
gedacht, wie die neue Zuspitzung im Brexit-Drama oder der
Handelsstreit mit den USA erahnen lassen.
Der vollständige Leitartikel: Die künftige
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kann sich anstrengen wie sie
will, den zentralen Konstruktionsfehler ihres Teams kann sie mit noch
so viel Schwung nicht beheben: Es ist ein Unding, dass jeder der
künftig 27 EU-Mitgliedstaaten einen Posten in der Kommission
besetzt - und den Anwärter dafür auch noch selbst benennt. Man stelle
sich vor, im Bundeskabinett müsste jedes der 16 Bundesländer mit
einem von der jeweiligen Landesregierung ausgewählten Minister
vertreten sein. Undenkbar. In Brüssel halten die EU-Staaten an genau
diesem Prinzip für die europäische "Regierung" fest, obwohl
offensichtlich ist, dass man mit 27 Kommissaren keine effiziente
Zusammenarbeit und keinen vernünftigen Ressort-Zuschnitt erreicht. Im
EU-Vertrag ist deshalb schon lange eine Reduzierung der Posten und
die Einführung des Rotationsprinzips vorgesehen - was die
Mitgliedstaaten aber einfach übergangen haben. Schlimmer noch:
Fröhlich ignorieren viele Regierungen die offizielle Verpflichtung
der Kommissare, am Brüsseler Kabinettstisch nur europäische, nicht
nationale Interessen zu vertreten, und drängen darauf, dass ihr
Emissär möglichst ein einflussreiches und national wichtiges
Aufgabengebiet bekommt. All dies muss im Auge behalten, wer jetzt
einen kritischen Blick auf von der Leyens Kommissions-Tableau wirft:
Ihr Spielraum bei der Aufstellung des neuen "Teams für Europa" war
erstmal nicht groß. Die Kunst eines Präsidenten besteht darin, mit
Ressort-Zuschnitt, Aufgabenstellung und Machtbalance eine Truppe
aufzubauen, die trotz aller Hindernisse politische Gestaltungskraft
entfaltet. Das ist von der Leyen ziemlich gut gelungen. Die
CDU-Politikerin macht mit ihrer Mannschaft sehr klar, dass sie allen
Widerständen zum Trotz Großes vorhat - und auch weiß, was die Bürger
jetzt von der EU erwarten. Die besten Köpfe in ihrem Team - der
Sozialdemokrat Timmermans und die Liberale Vestager - steuern die
europäische Klimapolitik, einen "grünen Deal", die Digitalisierung.
Von der Leyen will mit dieser großen Koalition an der Spitze auf
zentralen Feldern Pflöcke einschlagen. Und zugleich will sie ihren
Beitrag zu mehr Bürgernähe leisten. Sollte sie nicht reüssieren, hat
es am Personal jedenfalls nicht gelegen. Besonderer Coup der früheren
Verteidigungsministerin: Sie wertet über die Hintertür der
Industriepolitik die gemeinsame EU-Verteidigungszusammenarbeit auf,
was noch für Diskussionen sorgen dürfte. Dass die neue Fachabteilung,
die einen Milliardenfonds für Rüstungsprojekte verwalten darf, nun
der französischen Binnenmarktkommissarin und Macron-Vertrauten
Goulard zugeschlagen wird, ist aber vielleicht des Guten zu viel -
niemand hat so großes Interesse an diesem Thema wie die französische
Regierung mit ihrem militärstrategischen Ehrgeiz und der mächtigen
Verteidigungsindustrie im Land, da sind Konflikte programmiert. Wer
in den EU-Hauptstädten gehofft hatte, von der Leyen würde die
Kommission nicht ganz so politisch anlegen wie ihr Vorgänger Juncker
und lieber auf die Anweisungen der Regierungschefs warten, darf sich
jedenfalls getäuscht fühlen; die Kommission ist so austariert, dass
ihre tragenden Kräfte Widerstände im zerfaserten Parlament und im Rat
überwinden können. Freilich, all das gilt im Moment für die planbaren
Herausforderungen. Die eigentliche Bewährungsprobe für von der Leyen
kommt, wenn sie wie ihre Vorgänger mit unerwarteten Krisen
konfrontiert wird. Die kommen schneller als gedacht, wie die neue
Zuspitzung im Brexit-Drama oder der Handelsstreit mit den USA erahnen
lassen.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell
von der Leyen würde die Kommission nicht ganz so politisch anlegen
wie ihr Vorgänger Juncker und lieber auf die Anweisungen der
Regierungschefs warten, darf sich getäuscht fühlen; die Kommission
ist so austariert, dass ihre tragenden Kräfte Widerstände im
zerfaserten Parlament und im Rat überwinden können. Freilich, all das
gilt im Moment für die planbaren Herausforderungen. Die eigentliche
Bewährungsprobe für von der Leyen kommt, wenn sie wie ihre Vorgänger
mit unerwarteten Krisen konfrontiert wird. Die kommen schneller als
gedacht, wie die neue Zuspitzung im Brexit-Drama oder der
Handelsstreit mit den USA erahnen lassen.
Der vollständige Leitartikel: Die künftige
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kann sich anstrengen wie sie
will, den zentralen Konstruktionsfehler ihres Teams kann sie mit noch
so viel Schwung nicht beheben: Es ist ein Unding, dass jeder der
künftig 27 EU-Mitgliedstaaten einen Posten in der Kommission
besetzt - und den Anwärter dafür auch noch selbst benennt. Man stelle
sich vor, im Bundeskabinett müsste jedes der 16 Bundesländer mit
einem von der jeweiligen Landesregierung ausgewählten Minister
vertreten sein. Undenkbar. In Brüssel halten die EU-Staaten an genau
diesem Prinzip für die europäische "Regierung" fest, obwohl
offensichtlich ist, dass man mit 27 Kommissaren keine effiziente
Zusammenarbeit und keinen vernünftigen Ressort-Zuschnitt erreicht. Im
EU-Vertrag ist deshalb schon lange eine Reduzierung der Posten und
die Einführung des Rotationsprinzips vorgesehen - was die
Mitgliedstaaten aber einfach übergangen haben. Schlimmer noch:
Fröhlich ignorieren viele Regierungen die offizielle Verpflichtung
der Kommissare, am Brüsseler Kabinettstisch nur europäische, nicht
nationale Interessen zu vertreten, und drängen darauf, dass ihr
Emissär möglichst ein einflussreiches und national wichtiges
Aufgabengebiet bekommt. All dies muss im Auge behalten, wer jetzt
einen kritischen Blick auf von der Leyens Kommissions-Tableau wirft:
Ihr Spielraum bei der Aufstellung des neuen "Teams für Europa" war
erstmal nicht groß. Die Kunst eines Präsidenten besteht darin, mit
Ressort-Zuschnitt, Aufgabenstellung und Machtbalance eine Truppe
aufzubauen, die trotz aller Hindernisse politische Gestaltungskraft
entfaltet. Das ist von der Leyen ziemlich gut gelungen. Die
CDU-Politikerin macht mit ihrer Mannschaft sehr klar, dass sie allen
Widerständen zum Trotz Großes vorhat - und auch weiß, was die Bürger
jetzt von der EU erwarten. Die besten Köpfe in ihrem Team - der
Sozialdemokrat Timmermans und die Liberale Vestager - steuern die
europäische Klimapolitik, einen "grünen Deal", die Digitalisierung.
Von der Leyen will mit dieser großen Koalition an der Spitze auf
zentralen Feldern Pflöcke einschlagen. Und zugleich will sie ihren
Beitrag zu mehr Bürgernähe leisten. Sollte sie nicht reüssieren, hat
es am Personal jedenfalls nicht gelegen. Besonderer Coup der früheren
Verteidigungsministerin: Sie wertet über die Hintertür der
Industriepolitik die gemeinsame EU-Verteidigungszusammenarbeit auf,
was noch für Diskussionen sorgen dürfte. Dass die neue Fachabteilung,
die einen Milliardenfonds für Rüstungsprojekte verwalten darf, nun
der französischen Binnenmarktkommissarin und Macron-Vertrauten
Goulard zugeschlagen wird, ist aber vielleicht des Guten zu viel -
niemand hat so großes Interesse an diesem Thema wie die französische
Regierung mit ihrem militärstrategischen Ehrgeiz und der mächtigen
Verteidigungsindustrie im Land, da sind Konflikte programmiert. Wer
in den EU-Hauptstädten gehofft hatte, von der Leyen würde die
Kommission nicht ganz so politisch anlegen wie ihr Vorgänger Juncker
und lieber auf die Anweisungen der Regierungschefs warten, darf sich
jedenfalls getäuscht fühlen; die Kommission ist so austariert, dass
ihre tragenden Kräfte Widerstände im zerfaserten Parlament und im Rat
überwinden können. Freilich, all das gilt im Moment für die planbaren
Herausforderungen. Die eigentliche Bewährungsprobe für von der Leyen
kommt, wenn sie wie ihre Vorgänger mit unerwarteten Krisen
konfrontiert wird. Die kommen schneller als gedacht, wie die neue
Zuspitzung im Brexit-Drama oder der Handelsstreit mit den USA erahnen
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