25.04.2019 12:00 | NDR Norddeutscher Rundfunk | Panorama
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G20-Strafprozess um Randale auf Hamburger Elbchaussee dauert deutlich länger - Richter zweifeln an Polizeiarbeit
Hamburg (ots) - Im Strafprozess um die gewalttätigen
Ausschreitungen auf der Elbchaussee während des G20-Gipfels 2017 in
Hamburg äußert das Gericht Zweifel an der Ermittlungsakte der
Polizei. Auf das "geschriebene Wort" sei "wenig Verlass", soll es in
einem Beschluss der zuständigen Strafkammer des Landgerichts Hamburg
heißen. Angeklagt sind vier Deutsche und ein Franzose. Gegen sie wird
unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.
Nach Recherchen des NDR sollen Zeugen bei ihrer Vernehmung während
der Hauptverhandlung Aussagen, die die Polizei in deren Namen in der
Ermittlungsakte vermerkt hatte, entschieden bestritten haben. Zeugen
sollen Polizeivermerke gar als "Quatsch" bezeichnet und beteuert
haben, sie hätten solche Aussagen nie gemacht. Nach Recherchen des
NDR wollen sich die Richter darum nicht mehr auf "weitere
Polizeivermerke" verlassen und laden stattdessen deutlich mehr Zeugen
vor als ursprünglich geplant.
Die Richter sind nach der Vernehmung des Ermittlungsführers der
Polizei außerdem zu dem Schluss gekommen, dass auf dessen
Abschlussbericht "nur wenig gestützt werden kann", nachdem der Beamte
in seiner Vernehmung selbst angebliche Ermittlungsergebnisse als
"Arbeitshypothesen" bezeichnet hatte. Auch die Videos vom Aufmarsch
auf der Elbchaussee während des G20-Gipfels seien nicht so
aussagekräftig, wie es zuerst schien. Das gelte besonders dann, wenn
man die Videos ohne die - aus Sicht der Richter - "suggestiven
Bearbeitungen" der Polizei anschaue. Für die Identifizierung des
angeklagten Franzosen sei nun ein Sachverständigengutachten geboten.
Auf Anfrage bestätigte ein Gerichtssprecher die Recherchen des
NDR. Auch die Äußerung der Kammer, dass "auf das in der Akte
'geschriebene Wort' wenig Verlass sei", treffe zu. Mit dieser
Äußerung - so der Sprecher weiter - sei allerdings nicht gemeint,
dass Sachverhalte von der Polizei falsch dokumentiert seien, sondern
lediglich nicht erschöpfend. Die Einschätzungen der Richter stammen
demnach aus einem schriftlichen Beschluss des Gerichts vom 1. März
2019 zur Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers für jeden der
fünf Angeklagten. Ursprünglich sei das Oberlandesgericht davon
ausgegangen, die Verlesung polizeilicher Ermittlungsvermerke werde
die Anzahl der persönlichen Zeugenvernehmungen während der
Hauptverhandlung überschaubar halten. Diese Erwartung, so der
Gerichtssprecher, habe sich nicht bestätigt. In dem Beschluss vom 1.
März heißt es weiter, dass selbst aus Sicht der Polizei "keineswegs
alles so klar [sei], wie der Abschlussbericht vermuten lasse." Der
Prozess wird daher mindestens bis zum September dauern - ursprünglich
wurde ein Urteil im Mai erwartet.
Die Staatsanwaltschaft wollte sich wegen des laufenden Verfahrens
zu dem Sachverhalt nicht äußern. Die Polizei teilte mit, sie schließe
sich den Ausführungen des Gerichtssprechers an.
Ermittler hatten die Angeklagten anhand von Videoaufnahmen als
Teilnehmer des Aufmarsches auf der Elbchaussee identifiziert.
Mittlerweile haben die vier Deutschen zugegeben, am Morgen des 7.
Juli 2017 auf der Elbchaussee dabei gewesen zu sein. Erkenntnisse,
dass sie dort eigenhändig Gewalt ausgeübt haben oder bewaffnet waren,
liegen Polizei und Staatsanwaltschaft bisher nicht vor. Trotzdem
wirft die Staatsanwaltschaft den jungen Männern im Alter von 18 bis
20 Jahren schweren Landfriedensbruch vor. Sie sollen für alle
Sachschäden haften, die aus dem Aufmarsch heraus verursacht worden
sind: Die Summe soll sich auf rund eine Million Euro belaufen.
Wegen der gewalttätigen Ausschreitungen während des G20-Gipfels
2017 stand die Hamburger Polizei von Beginn an unter großem Druck.
Die Bilder von den Zerstörungen in der Elbchaussee gingen um die
Welt. Fast 20 Minuten lang randalierten nach Angaben der Polizei 220
Personen unbehelligt in der noblen Wohnstraße und einer benachbarten
Fußgängerzone. Die Randalierer konnten die Flucht ergreifen, bevor
die Polizei vor Ort war. Bis heute wurde niemand für die schweren
Sachbeschädigungen verurteilt.
Weitere Informationen unter
http://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/g20-elbchaussee-103.html
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Ralf Pleßmann
Tel: 040/ 4156-2333
Mail: r.plessmann@ndr.de
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse
Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell
Ausschreitungen auf der Elbchaussee während des G20-Gipfels 2017 in
Hamburg äußert das Gericht Zweifel an der Ermittlungsakte der
Polizei. Auf das "geschriebene Wort" sei "wenig Verlass", soll es in
einem Beschluss der zuständigen Strafkammer des Landgerichts Hamburg
heißen. Angeklagt sind vier Deutsche und ein Franzose. Gegen sie wird
unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.
Nach Recherchen des NDR sollen Zeugen bei ihrer Vernehmung während
der Hauptverhandlung Aussagen, die die Polizei in deren Namen in der
Ermittlungsakte vermerkt hatte, entschieden bestritten haben. Zeugen
sollen Polizeivermerke gar als "Quatsch" bezeichnet und beteuert
haben, sie hätten solche Aussagen nie gemacht. Nach Recherchen des
NDR wollen sich die Richter darum nicht mehr auf "weitere
Polizeivermerke" verlassen und laden stattdessen deutlich mehr Zeugen
vor als ursprünglich geplant.
Die Richter sind nach der Vernehmung des Ermittlungsführers der
Polizei außerdem zu dem Schluss gekommen, dass auf dessen
Abschlussbericht "nur wenig gestützt werden kann", nachdem der Beamte
in seiner Vernehmung selbst angebliche Ermittlungsergebnisse als
"Arbeitshypothesen" bezeichnet hatte. Auch die Videos vom Aufmarsch
auf der Elbchaussee während des G20-Gipfels seien nicht so
aussagekräftig, wie es zuerst schien. Das gelte besonders dann, wenn
man die Videos ohne die - aus Sicht der Richter - "suggestiven
Bearbeitungen" der Polizei anschaue. Für die Identifizierung des
angeklagten Franzosen sei nun ein Sachverständigengutachten geboten.
Auf Anfrage bestätigte ein Gerichtssprecher die Recherchen des
NDR. Auch die Äußerung der Kammer, dass "auf das in der Akte
'geschriebene Wort' wenig Verlass sei", treffe zu. Mit dieser
Äußerung - so der Sprecher weiter - sei allerdings nicht gemeint,
dass Sachverhalte von der Polizei falsch dokumentiert seien, sondern
lediglich nicht erschöpfend. Die Einschätzungen der Richter stammen
demnach aus einem schriftlichen Beschluss des Gerichts vom 1. März
2019 zur Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers für jeden der
fünf Angeklagten. Ursprünglich sei das Oberlandesgericht davon
ausgegangen, die Verlesung polizeilicher Ermittlungsvermerke werde
die Anzahl der persönlichen Zeugenvernehmungen während der
Hauptverhandlung überschaubar halten. Diese Erwartung, so der
Gerichtssprecher, habe sich nicht bestätigt. In dem Beschluss vom 1.
März heißt es weiter, dass selbst aus Sicht der Polizei "keineswegs
alles so klar [sei], wie der Abschlussbericht vermuten lasse." Der
Prozess wird daher mindestens bis zum September dauern - ursprünglich
wurde ein Urteil im Mai erwartet.
Die Staatsanwaltschaft wollte sich wegen des laufenden Verfahrens
zu dem Sachverhalt nicht äußern. Die Polizei teilte mit, sie schließe
sich den Ausführungen des Gerichtssprechers an.
Ermittler hatten die Angeklagten anhand von Videoaufnahmen als
Teilnehmer des Aufmarsches auf der Elbchaussee identifiziert.
Mittlerweile haben die vier Deutschen zugegeben, am Morgen des 7.
Juli 2017 auf der Elbchaussee dabei gewesen zu sein. Erkenntnisse,
dass sie dort eigenhändig Gewalt ausgeübt haben oder bewaffnet waren,
liegen Polizei und Staatsanwaltschaft bisher nicht vor. Trotzdem
wirft die Staatsanwaltschaft den jungen Männern im Alter von 18 bis
20 Jahren schweren Landfriedensbruch vor. Sie sollen für alle
Sachschäden haften, die aus dem Aufmarsch heraus verursacht worden
sind: Die Summe soll sich auf rund eine Million Euro belaufen.
Wegen der gewalttätigen Ausschreitungen während des G20-Gipfels
2017 stand die Hamburger Polizei von Beginn an unter großem Druck.
Die Bilder von den Zerstörungen in der Elbchaussee gingen um die
Welt. Fast 20 Minuten lang randalierten nach Angaben der Polizei 220
Personen unbehelligt in der noblen Wohnstraße und einer benachbarten
Fußgängerzone. Die Randalierer konnten die Flucht ergreifen, bevor
die Polizei vor Ort war. Bis heute wurde niemand für die schweren
Sachbeschädigungen verurteilt.
Weitere Informationen unter
http://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/g20-elbchaussee-103.html
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