28.02.2020 15:00 | NDR Norddeutscher Rundfunk | Medien / Kultur
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Mordfall Lübcke: Gegen Stephan E. wird wegen eines weiteren Mordversuches ermittelt
Hamburg (ots) - Der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter
Lübcke steht nach Recherchen von NDR und "Spiegel" im Verdacht, einen weiteren
rechtsterroristischen Mordanschlag begangen zu haben. Demnach gibt es den
Anfangsverdacht, dass Stephan E. an einem Mordversuch im Jahr 2003 beteiligt
gewesen sein könnte. Die Bundesanwaltschaft bestätigte auf Anfrage das
Verfahren, wollte aber keine Details nennen.
In den frühen Morgenstunden des 20. Februar 2003 war auf einen Lehrer in Kassel
ein Anschlag verübt worden. Der damals 48-Jährige stand gerade in seiner Küche,
als kurz vor 6.00 Uhr morgens ein Projektil das Fenster und einen Rollladen
durchschlug. Das Geschoss flog nur wenige Zentimeter am Kopf des Mannes vorbei
und schlug in eine Regalwand ein. Der Pädagoge, der damals im Vorstand eines
antifaschistischen Vereins tätig war, blieb unverletzt. Der Mordversuch war den
Ermittlern bei der Überprüfung ungelöster Fälle mit möglichem
rechtsextremistischem Hintergrund aufgefallen.
Nach Informationen von NDR und "Spiegel" fanden Polizisten auf einem Laptop von
Stephan E. in einem verschlüsselten Ordner ein "Dossier" mit dem Namen des
damaligen Opfers. Darin waren Name, Adresse und Hinweise auf seine Funktion in
einer antifaschistischen Organisation und in einem Bündnis gegen
Rechtsextremismus gespeichert sowie ein Foto des Opfers. Die Datei soll 2002,
also im Jahr vor dem Mordversuch, angelegt worden sein. Daraufhin sahen die
Ermittler einen Anfangsverdacht, dass Stephan E. in die Tat verstrickt sein
könnte. Der Generalbundesanwalt nahm daher im November 2019 Ermittlungen gegen
Stephan E. wegen Mordversuches auf. Die Ermittlungen dauern an. Bislang sind
aber keine weiteren bedeutsamen Verdachtsmomente dazu gekommen.
Nach Informationen von NDR und "Spiegel" wurde im Rahmen der neuen Ermittlungen
auch ein Wollfaden untersucht, der 2003 in der Nähe des Tatorts gefunden wurde.
An dem Asservat fanden sich aber keine DNA-Spuren von Stephan E. Es besteht
weiter nur ein Anfangsverdacht. "Unser Mandant weist diese Vorwürfe empört
zurück", sagte Frank Hannig, einer der Verteidiger von Stephan E., zu den neuen
Ermittlungen. Er habe keine Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren und habe den
Generalbundesanwalt aufgefordert, ihn darüber zu informieren.
In dem Mordfall Lübcke wird demnächst mit einer Anklage gerechnet. Stephan E.
hatte die Tat zunächst gestanden und die Polizei zu einem Waffenlager geführt,
in dem sich auch der Revolver befand, mit dem Walter Lübcke ermordet wurde. In
dem Lager fanden die Polizisten einen Revolver, eine Kurzwaffe, eine Pumpgun,
eine Maschinenpistole und eine Langwaffe. Außerdem entdeckten sie bei E. fünf
Schalldämpfer, ein Zielfernrohr sowie 1394 Schuss Munition. Sein ursprüngliches
Geständnis hat Stephan E. inzwischen widerrufen und beschuldigt jetzt seinen
Freund Markus H., den Schuss abgegeben zu haben.
Nach Informationen von NDR und "Spiegel" stellten die Ermittler auch eine
sogenannte Dashcam, eine kleine Kamera, sicher. Solche "Dashcams" können an
Windschutzscheiben im Auto angebracht werden. Auf der sichergestellten Kamera
sind Aufnahmen vom Haus und Auto des Mordopfers Lübcke gespeichert. Die Videos
wurden offenbar rund zwei Jahre vor der Tat gefilmt -möglicherweise aus E.s Auto
heraus, einem VW Caddy.
Weiterhin ungeklärt ist derweil die Frage, wie die Mordwaffe letztendlich in die
Hände von Stephan E. gelangt ist. Die Ermittler konnten nach Informationen von
NDR und "Spiegel" den aus Brasilien stammenden Revolver der Marke Rossi zunächst
zu einem Schweizer Waffenhändler zurückverfolgen, dessen Firma heute nicht mehr
besteht. 1987 hatte das Unternehmen den Revolver importiert und anschließend
offenbar an einen Schweizer verkauft. Ermittler haben diesen ausfindig gemacht
und sich am Telefon nach der Waffe erkundigt. Der Schweizer soll den Kauf der
Waffe bestätigt und angegeben haben, die Waffe noch zu besitzen.
Familienangehörige fanden aber nur die Verpackung und wiesen die Polizisten
darauf hin, dass der damalige Waffenkäufer heute an Demenz leide. Der weitere
Weg der Mordwaffe ist bisher offenbar noch nicht aufgeklärt.
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Bettina Brinker
Tel.: 040/4156-2302
Mail: b.brinker@ndr.de
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/6561/4533703
OTS: NDR Norddeutscher Rundfunk
Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell
Lübcke steht nach Recherchen von NDR und "Spiegel" im Verdacht, einen weiteren
rechtsterroristischen Mordanschlag begangen zu haben. Demnach gibt es den
Anfangsverdacht, dass Stephan E. an einem Mordversuch im Jahr 2003 beteiligt
gewesen sein könnte. Die Bundesanwaltschaft bestätigte auf Anfrage das
Verfahren, wollte aber keine Details nennen.
In den frühen Morgenstunden des 20. Februar 2003 war auf einen Lehrer in Kassel
ein Anschlag verübt worden. Der damals 48-Jährige stand gerade in seiner Küche,
als kurz vor 6.00 Uhr morgens ein Projektil das Fenster und einen Rollladen
durchschlug. Das Geschoss flog nur wenige Zentimeter am Kopf des Mannes vorbei
und schlug in eine Regalwand ein. Der Pädagoge, der damals im Vorstand eines
antifaschistischen Vereins tätig war, blieb unverletzt. Der Mordversuch war den
Ermittlern bei der Überprüfung ungelöster Fälle mit möglichem
rechtsextremistischem Hintergrund aufgefallen.
Nach Informationen von NDR und "Spiegel" fanden Polizisten auf einem Laptop von
Stephan E. in einem verschlüsselten Ordner ein "Dossier" mit dem Namen des
damaligen Opfers. Darin waren Name, Adresse und Hinweise auf seine Funktion in
einer antifaschistischen Organisation und in einem Bündnis gegen
Rechtsextremismus gespeichert sowie ein Foto des Opfers. Die Datei soll 2002,
also im Jahr vor dem Mordversuch, angelegt worden sein. Daraufhin sahen die
Ermittler einen Anfangsverdacht, dass Stephan E. in die Tat verstrickt sein
könnte. Der Generalbundesanwalt nahm daher im November 2019 Ermittlungen gegen
Stephan E. wegen Mordversuches auf. Die Ermittlungen dauern an. Bislang sind
aber keine weiteren bedeutsamen Verdachtsmomente dazu gekommen.
Nach Informationen von NDR und "Spiegel" wurde im Rahmen der neuen Ermittlungen
auch ein Wollfaden untersucht, der 2003 in der Nähe des Tatorts gefunden wurde.
An dem Asservat fanden sich aber keine DNA-Spuren von Stephan E. Es besteht
weiter nur ein Anfangsverdacht. "Unser Mandant weist diese Vorwürfe empört
zurück", sagte Frank Hannig, einer der Verteidiger von Stephan E., zu den neuen
Ermittlungen. Er habe keine Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren und habe den
Generalbundesanwalt aufgefordert, ihn darüber zu informieren.
In dem Mordfall Lübcke wird demnächst mit einer Anklage gerechnet. Stephan E.
hatte die Tat zunächst gestanden und die Polizei zu einem Waffenlager geführt,
in dem sich auch der Revolver befand, mit dem Walter Lübcke ermordet wurde. In
dem Lager fanden die Polizisten einen Revolver, eine Kurzwaffe, eine Pumpgun,
eine Maschinenpistole und eine Langwaffe. Außerdem entdeckten sie bei E. fünf
Schalldämpfer, ein Zielfernrohr sowie 1394 Schuss Munition. Sein ursprüngliches
Geständnis hat Stephan E. inzwischen widerrufen und beschuldigt jetzt seinen
Freund Markus H., den Schuss abgegeben zu haben.
Nach Informationen von NDR und "Spiegel" stellten die Ermittler auch eine
sogenannte Dashcam, eine kleine Kamera, sicher. Solche "Dashcams" können an
Windschutzscheiben im Auto angebracht werden. Auf der sichergestellten Kamera
sind Aufnahmen vom Haus und Auto des Mordopfers Lübcke gespeichert. Die Videos
wurden offenbar rund zwei Jahre vor der Tat gefilmt -möglicherweise aus E.s Auto
heraus, einem VW Caddy.
Weiterhin ungeklärt ist derweil die Frage, wie die Mordwaffe letztendlich in die
Hände von Stephan E. gelangt ist. Die Ermittler konnten nach Informationen von
NDR und "Spiegel" den aus Brasilien stammenden Revolver der Marke Rossi zunächst
zu einem Schweizer Waffenhändler zurückverfolgen, dessen Firma heute nicht mehr
besteht. 1987 hatte das Unternehmen den Revolver importiert und anschließend
offenbar an einen Schweizer verkauft. Ermittler haben diesen ausfindig gemacht
und sich am Telefon nach der Waffe erkundigt. Der Schweizer soll den Kauf der
Waffe bestätigt und angegeben haben, die Waffe noch zu besitzen.
Familienangehörige fanden aber nur die Verpackung und wiesen die Polizisten
darauf hin, dass der damalige Waffenkäufer heute an Demenz leide. Der weitere
Weg der Mordwaffe ist bisher offenbar noch nicht aufgeklärt.
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Tel.: 040/4156-2302
Mail: b.brinker@ndr.de
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Schlagwörter
Medien , Kriminalität ,
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